Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
würde nur Männer oder männliche Jugendliche als Opfer auswählen. Beispiel hierfür ist der Serienmörder Jeffrey Dahmer (1960–1994), der mindestens siebzehn junge Männer zu Tode folterte.
Verbrechen sind aus psychologischer Sicht nie völlig einzigartig. Egal, wie einmalig sie aufgrund ihrer Grausamkeit erscheinen, fast immer hat sich eine ähnliche Tat irgendwann und irgendwo schon einmal ereignet. Das liegt daran, dass Menschen mit einem ähnlichen »Baukastensatz« von Eigenschaften auch in ihren Handlungen – hier: grauenvolle Verbrechen – ähnlich sind. So ist es auch mit Männern, die kleine Mädchen festhalten, sie sexuell missbrauchen, von ihnen erwarten, sie zu lieben, und sich so kleine Ehefrauen »heranzüchten«. Die Fälle von drei Männern, die voneinander nichts wussten und doch alle dasselbe taten, möchte ich hier vorstellen. Solche Täter gibt es in allen Kulturen. Auch dafür gebe ich Ihnen im Folgenden Beispiele. All diese Täter verbindet, dass sie im Kern völlig selbstunsichere, zu erwachsenen, gleichberechtigten Beziehungen unfähige Gefühlskrüppel sind. Sie verwechseln Liebe mit Kontrolle sowie Zuwendung mit Zwang, weil sie sich so gut wie gar nicht in andere Menschen einfühlen können und nur ihre eigenen Bedürfnisse im Blick haben.
Josef Fritzl
Fritzl wurde 1935 in Amstetten, Österreich, geboren. Das Unglück seiner Familie begann nicht mit seinen Taten, noch nicht einmal mit seiner Geburt, sondern schon mit der Zeugung seiner Mutter Maria. Fritzls Großvater war Anfang des 19. Jahrhunderts mit einer unfruchtbaren Frau verheiratet, wollte aber unbedingt Kinder haben. So zeugte er drei uneheliche Kinder, die er seiner Ehefrau als Adoptivkinder vorsetzte. Genau das tat sein Enkel Josef Fritzl Jahrzehnte später auch, indem er drei der mit seiner Tochter gezeugten Kinder mit seiner Ehefrau zusammen aufzog.
Fritzls Mutter, die von einer Magd ihres Vaters geboren wurde, wuchs so bei ihrem dominanten Vater und dessen Ehefrau auf. Die Ehefrau wagte es nicht, sich den Seitensprüngen ihres Mannes und der Rolle als Stiefmutter für seine dabei gezeugten Kinder zu widersetzen.Schon diese ziemlich kaputte Familienkonstellation hätte gereicht, um in Josef Fritzls Mutter Maria negative Gefühle und Einstellungen gegenüber Männern auszulösen. Schließlich war die Art, mit der ihr Vater seine Frau und seine Kinder behandelte, alles andere als liebevoll.
In ihrem frühen Erwachsenenleben erlebte Maria aber noch etwas, was man fast schon als »Ironie des Schicksals« betrachten könnte. Sie heiratete einen Mann, der unbedingt Kinder wollte, wurde aber nicht schwanger. Die Geschichte, welche sie schon aus ihrem Elternhaus kannte, weil die Umstände ihrer Zeugung und der Zeugung ihrer ebenfalls unehelichen Geschwister kein Geheimnis in ihrem Heimatdorf waren, wiederholte sich also auf tragische Weise. Ihr Mann verließ sie und suchte sich eine andere Frau, weil er meinte, Maria sei unfruchtbar.
Dieses Erlebnis dürfte die ohnehin schon gefühlsmäßig belastete Frau völlig zerstört haben. Sollte sie bis zu diesem Zeitpunkt noch einen Rest positiver Gefühle Männern gegenüber gehabt haben, so blieb durch diesen herben Rückschlag nur noch Verachtung für sie übrig, was sie ihren Sohn deutlich spüren ließ. Fritzls Gutachterin Heidi Kastner, eine erfahrene österreichische Gerichtspsychiaterin, kam zu dem Schluss, dass Marias »Männerbild« schon durch ihre Kindheit negativ belastet war. Das verschlimmerte sich nach dem Erlebnis, vom ersten Mann, dem sie positive Gefühle entgegengebracht hatte, verlassen zu werden.
Ihrem Exmann wollte sie unbedingt beweisen, dass sie doch fruchtbar war. Nur aus diesem Grund ließ sie sich von einem anderen Mann schwängern, für den sie nichts empfand. Das Ergebnis war die Geburt von Josef Fritzl, der sich selbst aufgrund dieser Geschichte als »Alibi-Kind« bezeichnet. Er hatte seine Aufgabe, die Fruchtbarkeit seiner Mutter unter Beweis zu stellen, durch seine Geburt erfüllt und war von da an uninteressant bis lästig für sie. Die Mutter trennte sich von Fritzls Vater, als Josef vier Jahre alt war. Der Vater starb als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Maria versorgte ihren Sohn zwar notdürftig mit Nahrung und Kleidung, doch zeigte sie niemals Liebe, Zärtlichkeit, elterliche Fürsorge oderirgendeine andere Art von positivem Gefühl ihm gegenüber. Ihre Gleichgültigkeit ging so weit, dass sie eine sehr schmerzhafte Vorhautverengung, unter der
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