Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
Priklopil hatte im Vorraum des Kellerzimmerchens seiner Gefangenen einen Kühlschrank, in dem er ihre Lebensmittel aufbewahrte. Außerdem hatte er für ihre Abfälle eine eigene Mülltonne, die er niemals in seinem Hausmüll entsorgte, sondern mit dem Auto zu größeren Müllcontainern brachte. Nur mithilfe dieser übermäßigen Planung und Umsetzung gelang es, dass weder Fritzls Frau und seine noch im Haus lebenden anderen Kinder noch Priklopils Mutter, die häufig in seinem Haus zu Besuch war, etwas von den Kellergefangenen mitbekamen.
Ordnungswut im Alltag
Menschen mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung zeigen viele Merkmale, die in Firmen und Behörden gerne gesehen werden. Ihre Arbeit ist diesen Menschen sehr wichtig. Was sie tun, wollen sie möglichst fehlerfrei machen. Dadurch brauchen sie manchmal länger als andere, weil sie nur zufrieden sind, wenn das Ergebnis ihrer Arbeit haargenau ihren Vorstellungen entspricht. Am liebsten haben sie es, wenn niemand ihnen in ihre Arbeit hineinredet und sie alles nach ihren übertrieben genauen Vorstellungen umsetzen können. Gerne suchen sie sich Berufe, die zu dieser Arbeitseinstellung passen. Am liebsten arbeiten sie nach klaren Regeln und stellen diese auch für andere auf. Sie verlieren sich förmlich in Arbeiten, bei denen sie nach vorgegebenen Plänen und Regeln Aufgaben erledigen können.
Sowohl Priklopil als auch Fritzl bastelten und bauten gerne, sowohl in ihrem Beruf als auch in ihrer freien Zeit. Am liebsten beschäftigten sie sich mit Bauplänen, technischen und elektrischen Geräten. In diesen Bereichen konnten sie ungehemmt ihre Regeln, Ordnung und Genauigkeit umsetzen.
Solche Menschen führen ihre Arbeiten – ob im Beruf oder zu Hause – am liebsten alleine aus. Sie treffen sich in ihrer Freizeit ungern mit anderen, gehen kaum feiern und schließen sich auch keinen Vereinen an. Das, was sie im Beruf machen, unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was sie zu Hause machen. Deshalb halten Bekannte sie oft für Arbeitstiere, die sich keine Freizeit gönnen. Dazu passend sind sie, selbst wenn sie einen guten Beruf und keine Geldsorgen haben, auffällig sparsam und bemüht, ihr Geld gewinnbringend anzulegen. Genau diese Besonderheiten zeigten sowohl Priklopil als auch Fritzl.
Einige Eigenschaften stören ihre Mitmenschen aber. Zwanghaft Persönlichkeitsgestörte haben nämlich strenge Vorstellungen davon, nach welchen Regeln sich »alle Menschen« verhallten sollten. Wenn sie können, setzen sie diese Regeln auch durch und nötigen andere, sich daran zu halten. Sie würden sich zwar nie trauen, etwas an ihren Vorgesetzten zu beanstanden. Doch Untergebene oder Kollegen, die rangmäßig unter ihnen stehen, ihre Nachbarn und Familienangehörigen werden von ihnen ermahnt, wenn sie gegen die Regeln des zwanghaft Persönlichkeitsgestörten verstoßen. An ihrer eigenen Meinung zweifeln diese Menschen nie und lassen sich auch auf keine Diskussion darüber ein.
Die Haushalte und Gärten von Priklopil und Fritzl waren dementsprechend immer sauber und ordentlich. Das passt zu ihren hohen Ansprüchen. Sowohl die Mutter von Priklopil als auch die Frau und die Kinder von Fritzl kümmerten sich um Haushalt, Garten und Essen ganz genau nach den übertriebenen Vorstellungen der herrischen Männer. Priklopil war es beispielsweise so wichtig, seinen Garten in Ordnung zu halten, dass er sich beim Gemeindeamt beschwerte, weil die Äste vom Grundstück seiner Nachbarn herüberwuchsen. Beide bestraften sowohl ihre Gefangenen im Keller als auch ihre nicht gefangenen Angehörigen, wenn diese auch nur geringfügig gegen eine der aufgestellten Regeln verstießen.
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Über Wolfgang Priklopils Kinder- und Jugendzeit ist viel weniger bekannt als über die von Josef Fritzl. Das liegt vor allem daran, dass Fritzl nach seiner Verhaftung lange Gespräche mit einer Gutachterin führte. Priklopil konnte niemand mehr befragen, da er sich vor seiner Verhaftung selbst tötete.
Auf den ersten Blick hatte Priklopil eine geordnetere Kindheit als Josef Fritzl. Er war ein Einzelkind. Sein Vater Karl war Regionalvertreter für Branntwein, die Mutter Waltraud arbeitete als kaufmännische Angestellte, bevor sie ihren Sohn bekam. Nach der Geburt kümmerte sie sich nur noch um ihren Sohn und den Haushalt.
Die unauffällig wirkende Familie machte – wie damals üblich – Sommerurlaube in Italien. Wolfgang war ein mittelmäßiger, aber sehr braver Schüler. Seinen Eltern fiel bloß
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