Aus der Spur
Teufel…? Shamus zielte mit der Faust auf Nelsons Augen, traf aber nur seine Wange. Seine Hand kribbelte.
» Hast du ins Bett gemacht? Jawoooohl… «
» Halt’s Maul! « Shamus holte wieder aus und verfehlte Nelson diesmal ganz. Der Kerl war an einen Stuhl gefesselt! » Überall Narben. Überall! «
» Hör auf mit dem Mist! « , schrie Shamus. Er kann doch meine Beine gar nicht sehen.
» Verdiente Strafe. Was für eine Enttäuschung… «
Wer hatte ihm das alles verraten?
Nelson zuckte zurück, aber Shamus wusste, dass nicht seine Schläge der Grund waren. Es fühlte sich an, als würden Käfer in seinem Hirn herumkrabbeln. Ihm wurde wieder schwindlig.
» Du warst ein Unfall … «
» Woher weißt du das? « Die Frage zerkratzte Shamus die Kehle.
» Sie wollten dich nicht… « Shamus hielt sich die Ohren zu, aber die gottverdammt hohe Stimme drang durch seine Hände, als wären sie gar nicht da.
» Ich bring dich um! «
» Tust du sowieso… Angst vor den Mädchen… «
» Hör auf! «
» Sie haben dich immer ausgelacht… «
Shamus sah den Boden auf sich zukommen. Dann kam der Aufprall, und Blut tropfte auf die Dielen. Nein, das war kein Blut, es waren Tränen. Rotz rann ihm aus der Nase, und er wischte sie sich mit dem Ärmel ab.
Shamus konnte die Augen jetzt nicht mehr sehen. So war es besser. Aber fühlen konnte er ihren Blick immer noch.
» Lass meinen Hund laufen. Mehr will ich nicht « , sagte Nelson. Seine Stimme hörte sich wieder fast normal an.
» Also gut. Aber erst sagst du mir, was ich wissen will, du Strichmännchen! Wie dicht seid ihr an mir dran? « Shamus hasste den flehenden Ton in seiner Stimme.
» Zu dicht, tick, tack. Zu dicht, tick, tack « , sang Nelson, wieder wie in Trance.
Shamus’ Wut verlieh ihm neue Kraft. Du musst eine klare Antwort aus dem Kerl rausbekommen und dann so schnell wie möglich von hier verschwinden, sagte er sich.
» Okay « , meinte Shamus und wankte in die Küche. Er holte sich ein Messer, ging in die Diele und streckte die Hand nach der Schranktür aus. Der Hund winselte und scharrte an der Tür.
» Warte! « Nelson hörte sich so an, als wäre er zurück im Hier und Jetzt.
Mit dem Messer in der Hand baute sich Shamus vor Nelson auf. Er vermied den durchdringenden Blick der schwarzen Augen. » Wie seid ihr mir auf die Spur gekommen? «
» Heather Clearys Leiche. War klar, dass es was mit Autos zu tun hatte. «
Shamus verdrehte die Augen zum Himmel. » Was habe ich dir gesagt, Gran? «
Nelsons Hemd war schweißdurchtränkt. Die schwarzen Augen glitzerten. Sollte Shamus sie ihm ausstechen? Nein, beschloss er. Erst musste er hören, was der Freak zu sagen hatte.
» Wie bist du so schnell darauf gekommen? « Shamus versuchte nicht einmal, seine Neugier zu verbergen.
» Puja. «
» Was zum Teufel ist denn Puja? «
Kapitel 54
Rückkehr
Als Nelson nicht ans Telefon ging, begriff Chang, wie gedankenlos er gewesen war. Es kam ihm vor, als würde aus dem Gefrierschrank ein hämisches Lachen ertönen.
Die hölzerne Eingangstreppe bebte unter Changs Füßen. Er nahm zwei Stufen auf einmal. Im Auto schaltete er sowohl das Blaulicht als auch das Martinshorn ein. Nelsons Wohnung lag satte fünfzehn Minuten von hier entfernt.
Chang raste über die 95 South. Doch als er die Ausfahrt nach Bear erreichte, kroch eine Geländelimosine vor ihm die Straße entlang. Chang stieg auf die Bremse und verlor beinahe die Kontrolle über seinen Einsatzwagen. Zunächst fragte er sich, ob die Fahrerin betrunken war, aber dann fiel ihm das silbrige Handy auf, das sie unter dem blonden Haar ans Ohr gepresst hielt. Mit aller Kraft drückte er auf die Hupe und stellte wieder das Martinshorn an, aber die Fahrerin schien sich ihrer Umgebung überhaupt nicht bewusst zu sein.
Chang stieß einen Fluch auf Mandarin aus und gab Gas. Seine Motorhaube rammte die wuchtige Geländelimonsine, und das Martinshorn setzte aus. Bruchstücke seines Kühlgitters blieben auf der Straße zurück, aber wenigstens nahm die Frau jetzt ihr Handy vom Ohr. Sie zog nach links und starrte Chang mit riesigen Augen an, als er sie in seinem Streifenwagen überholte.
» Jetzt hast du wenigstens was zu erzählen « , zischte Chang und streifte die Geländelimousine um des spürbaren Effekts willen. Die Frau bremste und ließ ihr Handy fallen, und Chang trat das Gaspedal durch, dass die Reifen quietschten.
Wenige Minuten später hatte Chang Nelsons Haus erreicht. Er parkte nicht vor, sondern hinter
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