Aus der Spur
ein. Top-Verkäufer Tom Panzer sah so tadellos wie immer aus, aber seine rot unterlaufenen Augen waren ein deutlicher Hinweis auf eine durchzechte Nacht. Umso besser, dachte Shamus. Seine neue Droge hatte wenigstens keinen Kater zur Folge.
Als Nächstes marschierte Avery Fitz durch die Tür. Trotz seines Körperumfangs war Avery überraschend leichtfüßig; der Mann wog bestimmt mehr als zweihundert Kilo. Er hatte wegen eines Immobilienbetrugs eine Zeit lang eingesessen und war momentan auf Bewährung.
Danach folgte Hank Grant, der stellvertretende Manager, der offenbar nur für Seidenkrawatten und Gourmetküche lebte. Er hatte am Abend zuvor einmal wieder ein neues Restaurant ausprobiert und versprach Avery, ihm später ausführlich Bericht darüber zu erstatten. Shamus wurde langsam ungeduldig.
Endlich rief Jake, ein ehemaliger College-Footballspieler und der jetzige Verkaufschef, alle in den Pausenraum. Dort erwartete sie wie jeden Samstag eine Mischung aus Anschiss und Motivationsrede. Dieses Mal lobte der Verkaufsleiter Tommy, genannt » der Panzer « , für seine Spitzenzahlen und lenkte dann die Aufmerksamkeit auf Shamus’ neueste Leistungen.
» Shamus hier ist dir dicht auf den Fersen, Tommy. Du hast wohl den Turbogang eingelegt, Shamus? Was ist dein Geheimnis? «
» Man darf sich von den Idioten nicht unterkriegen lassen, Sir. «
» Braver Junge! Das ist die richtige Einstellung! « , verkündete Jonah und klopfte Shamus anerkennend auf die Schulter. Er deutet mit dem Daumen in Richtung des hart arbeitenden, aber immer niedergeschlagen wirkenden Mark Dey.
» Hey, Mark, da solltest du dir eine Scheibe von abschneiden! Du lässt dich viel zu leicht runterziehen. Halt dich an unseren irischen Karottenkopf hier, und lass dich nicht zum Hampelmann machen. Dem geht das alles am Arsch vorbei! « Jonahs dröhnendes Lachen erfüllte den kleinen Raum.
Jemand fing an, die Titelmelodie von Howdy Doody zu trällern, und Shamus lächelte gezwungen. Schon sein ganzes Leben wurde er mit dieser rothaarigen, sommersprossigen Marionette aus dem Fernsehen verglichen, und er hasste es. Aber wenigstens hatte er nun ein Ventil für diesen Hass.
Als Kind hatte Shamus nie gewusst, was schlimmer war– dass Gran ihn zwang, Dreck zu fressen, wenn er sich in der Schule hänseln ließ, oder dass sie ihre Zigaretten auf seinen nackten Beinen ausdrückte, wenn er zurückschlug und sie deshalb zum Direktor bestellt wurde.
Shamus schob sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund, um den Geschmack nach Erde loszuwerden.
Nach dem Meeting verteilten sich die Autoverkäufer im Ausstellungsraum. Es galt, die Frühaufsteher in Empfang zu nehmen, die alle auf ein besonders günstiges Angebot hofften. Shamus fand, dass die nagelneuen Autos in den riesigen Glasvitrinen wie eine übergroße Aquariumsdekoration aussahen.
Schließlich öffnete Patriot Motors die Türen. Unter den Autoverkäufern galt: » Wer zuerst kommt, mahlt zuerst « . Dementsprechend fielen heute Mark, der als Erster zur Arbeit erschienen war, auch die ersten potenziellen Käufer des Tages zu. Es handelte sich um einen Mann mittlerenAlters samt Tochter. Die nächsten Kunden, ein chinesisches Pärchen, gehörten Jonah. Danach war Shamus an der Reihe.
Fünf Minuten später kam ein verrosteter Chevy Caprice um die Ecke und auf den Parkplatz des Autohauses gerattert. Das sah vielversprechend aus, dachte Shamus. In der alten Kiste saßen ein Mann und eine Frau, sprich: beide Parteien, die bei einem eventuellen Kauf mitzureden hatten.
Shamus saß am Schalter direkt neben der Eingangstür, als das enorm übergewichtige Pärchen hereinwalzte. Der Mann konnte Avery zwar nicht das Wasser reichen, wog aber sicherlich auch seine 150 Kilo; die Frau brachte wohl kaum weniger auf die Waage.
» Willkommen bei Patriot Motors. Sind Sie zum ersten Mal bei uns? « Shamus begrüßte das dicke Pärchen mit seinem strahlendsten Lächeln und ausgestreckter Hand.
» Ja, schon. «
» Wie schön! Mein Name ist Shamus. Mit wem habe ich das Vergnügen? «
» Ich bin Doug Hubbert, und das ist meine Frau Maisy. «
Die Dicke reichte Shamus ihre schwitzige Pfote. Er schüttelte sie und musste den Impuls unterdrücken, sich die Hand an der Hose abzuwischen.
» Wie kann ich Ihnen behilflich sein? «
» Wir brauchen ein neues Auto. Mit Hondas kennen wir uns aber nicht besonders gut aus. Also klären Sie uns bitte auf « , meinte Doug.
» Was haben Sie sich denn so vorgestellt? Eine Limousine, einen
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