Aus der Spur
euphorisch.
Kapitel 27
Wer zuletzt lacht …
Patriot Motors, Freitagnachmittag
Shamus’ gute Laune war wie weggeblasen. Es war fast fünf Uhr, und keine Spur von seiner Kundin, die heute ihr Auto hätte abholen sollen. Diese verzogene kleine Schlampe vom letzten Samstag war vier Stunden zu spät. Shamus hatte schon mehrmals bei ihr zu Hause angerufen. Sie lebte noch bei ihren Eltern, hatte aber wohl ihren eigenen Telefonanschluss oder ein Handy. Jedenfalls ging immer nur die Mailbox ran.
Und jetzt sah es auch noch nach Regen aus. Na super, dachte Shamus. Er würde das blank polierte und gewienerte Auto wieder auf den Parkplatz hinausfahren müssen, weil Hank den Garagenstellplatz für seine Fünfuhrlieferung brauchte. Verdammt. Die Schlampe hatte ihn offensichtlich versetzt, aber irgendwann würde sie sich schon bei ihm melden. Patriot Motors hatte schließlich ihre fünfhundert Dollar Anzahlung.
Das Autohaus hatte heute großen Zulauf, aber Shamus musste tatenlos zusehen. Er tigerte auf und ab und wartete darauf, dass das Prinzesschen entweder auftauchen oder absagen würde. Er musste mit ansehen, wie sich Tommy und Mark einige Rentner unter den Nagel rissen; das waren fast immer gute Kunden.
Shamus vertrieb sich die Langeweile mit Tagträumen über die Presseberichterstattung, die nach der Entdeckung Midoris und Flannigans wundervollem Artikel explosionsartig angestiegen war. Der Rest der Medienwelt hatte endlich auch kapiert, dass hier ein Künstler am Werk war. Die Schlagzeilen waren allerdings ziemlich abgedroschen: » Serienmörder in Delaware? « oder » Psychopath auf freiem Fuß: Mysteriöse Mordserie stellt Polizei vor ein Rätsel. « Aber wahrscheinlich wussten sie es einfach nicht besser. Wer die Wahrheit lesen wollte, musste den » Stein des Anstoßes « aufschlagen.
Aus den Artikeln wurde ersichtlich, dass die Polizei Informationen zurückhielt. Dennoch war für Shamus klipp und klar, dass die Bullen ratlos waren. Er keulte ja nur die Schwachen aus der Herde, die sowieso niemand vermissen würde. Außerdem war er vorsichtig vorgegangen. Nicht alle Polizisten waren blöde.
Aber was würden sie schon finden? Er hatte Handschuhe getragen und jedes Mal andere Schuhe, sogar unterschiedliche Autos benutzt. Selbst wenn er etwas übersehen hatte und die Cops irgendwo einen Fingerabdruck fanden– er hatte keine Polizeiakte. Nur einmal wäre er fast verhaftet worden, als er während seiner Kindheit in Ohio eine kurze pyromanische Phase gehabt hatte. Aber weil er nur Abfalleimer in Brand gesteckt hatte, war nicht viel Aufhebens darum gemacht worden.
Shamus schauderte genussvoll. Tausende von Menschen in ganz Delaware fragten sich, was er » als Nächstes tun « würde. Allein von dem Gedanken bekam er eine Gänsehaut.
An seiner Pinnwand zu Hause hingen unzählige Zeitungsartikel mit unsinnigen Spekulationen darüber, was die Zigarre bedeuten sollte oder was wohl jemanden dazu trieb, » seine Opfer zu foltern « . So ein Quatsch. Midori war verlogener Abschaum gewesen. Er hatte sich geweigert, die Wahrheit zu sagen, und hatte sich dafür die Finger verbrannt. Als Shamus mit ihm fertig war, war er ein besserer Mensch gewesen.
Und jetzt wurden ihm diese süßen Erinnerungen von einer kleinen, schamlosen, gepiercten Schlampe vermiest! Er durfte sich das nicht so zu Herzen nehmen. So spielte das Leben eben. Allerdings hatte Shamus die Spielregeln geändert.
Es donnerte, und Shamus verzog das Gesicht. Als es zu regnen begann, brüllte Jake ihm zu, dass er sein Auto gefälligst wegbewegen und Platz für Hank machen sollte. Shamus kletterte hinter das Steuer des glänzenden Coupés. Nicht einmal der Geruch der Ledersitze, der sich mit dem berühmten, unverwechselbaren Neuwagenduft vermischte, konnte ihn aufheitern. Er blieb eine Weile im Wagen sitzen und sah zu, wie kleine Wassertröpfchen von der frisch gewachsten Motorhaube rollten.
Als er zurück an seinem Arbeitsplatz war, musste Shamus erkennen, dass zwar nicht der Regen, aber der Zustrom an Kunden versiegt war. Tropfen rannen die Schaufenster herunter, die wie riesige Windschutzscheiben aussahen. Shamus wandte seinen Blick erst davon ab, als sein Telefon klingelte.
Er nahm den Hörer ab, aber am anderen Ende meldete sich niemand.
» Hallo? «
» Sie sind bestimmt stiiiinksauer « , sagte schließlich eine verschlafene Stimme, in der Shamus die von Heather Cleary erkannte. Einen Moment lang glaubte er, das Ganze wäre einfach nur ein
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