Aus der Tiefe: Odyssey 2 (German Edition)
befinden, sagte sie sich, aber es war trotzdem ein berauschendes Gefühl.
»Der Rat wird sich innerhalb von drei Tagen zu ersten Sondierungsgesprächen mit Ihnen treffen«, informierte Corusc sie, der noch immer neben ihr stand und den Ausblick auf die malerische Szenerie genoss. »Bei der ersten Besprechung werden hauptsächlich Formalitäten abgehandelt, einschließlich offizieller Vorstellungen, feierlicher Akte und dergleichen.«
»Natürlich.« Sie nickte.
Was Zeremonien betraf, war sie in ihrem Element. Als Chef-Unterhändlerin der Konföderation während der Beendigung der Feindseligkeiten mit dem Block war es nur LaFontaines Geduld zu verdanken, dass man die Bedingungen für den Waffenstillstand auszuhandeln vermochte. Ob man das nun positiv bewerten wollte oder nicht: Die Führung des Blocks war zum größten Teil noch tief in den Traditionen ihrer Kultur verwurzelt. Und für China als einem der Gründungsmitglieder – das noch dazu mit seinem demografischen Pfund wuchern konnte – war Tradition praktisch ein Synonym für Zeremonien.
Das durchzustehen war eine Charakterprüfung ersten Ranges, und wenn Julia LaFontaine über eine gute Eigenschaft zu verfügen glaubte, dann war es Charakter.
Nero Jehan beobachtete den Sonnenaufgang nicht von dem Kommandostand aus, an dem er die Nacht verbracht hatte. Am Tag zuvor hatte er sich mit Colonel Reed getroffen, der von den Terranern entsandt worden war, um einen Teil von Neros Bodentruppen auszubilden. Trotz erheblicher Bedenken hatte Nero wie versprochen die Namen von tausend seiner besten Leute und ihre Dossiers an die terrestrischen Berater übermittelt. Sie hatten die Liste dann um die Hälfte gekürzt – durch Computerabfragen und nach Auswahlkriterien, aus denen sie ein Geheimnis machten, einen Namen nach dem anderen von der Liste gestrichen.
Die fünfhundert, die danach noch übrig waren, waren nun vor ihm angetreten.
Es gefiel ihm nicht, dass seine Leute durch die Launen irgendwelcher dahergelaufener Fremder auf bloße Namen und Zahlen reduziert wurden. Aber er wusste auch nicht, welche Wahl er sonst gehabt hätte. Obwohl er selbst der Ansicht war, dass sein Volk nicht im Geringsten auf fremde Hilfe bei seinem Kampf angewiesen war, befürwortete der Rat das Arrangement des Ältesten mit den Terranern.
Also war er durch Pflicht und Notwendigkeit gezwungen, den Rest von Stolz herunterzuschlucken, der ihm noch geblieben war.
Er hoffte nur, dass er diese bittere Pille nicht umsonst geschluckt hatte.
Im Moment musste er sich auch noch mit einer anderen Sache befassen. Die Streitkräfte auf der Odyssey hatten um die Erlaubnis gebeten, »Feldübungen« auf Ranqil durchzuführen, und der Rat hatte die entsprechende Genehmigung erteilt.
Auf den ersten Blick war das eine einfache Angelegenheit, doch wie immer hatte der Rat die nicht ganz so einfache Umsetzung in die Praxis an jemand anders delegiert. Nero hatte kein Problem damit, dass die Terraner ihre »Übungen« durchführten – jedenfalls kein grundsätzliches. Doch die Suche nach einem geeigneten Gelände gestaltete sich schwieriger als erwartet.
Dass diese Übungen in oder in der Nähe von Städten abgehalten wurden, kam natürlich nicht infrage. Das war eigentlich auch selbstverständlich, zumal Nero bezweifelte, dass die Terraner auf Publikum Wert legten. Allerdings standen alle Landstriche außerhalb der Städte unter Naturschutz.
Auch wenn Nero den Terranern nicht unterstellen wollte, dass sie absichtlich einen Flurschaden anrichten würden, machte er sich keine Illusionen, dass sie das Land nicht mit dem gleichen Respekt behandeln würden, den die Priminae ihm entgegenbrachten. Das warf wiederum ein neues Problem auf, das relevant und irrelevant zugleich war.
Nämlich die Frage, wo die Ausbildung seiner eigenen Streitkräfte überhaupt stattfinden sollte.
Ursprünglich war jede Division in unterirdischen Einrichtungen unter Zuhilfenahme von Simulatoren und schwachen Lasern ausgebildet worden. Diese Strategie war lange Zeit für ausreichend erachtet worden.
Nero glaubte jedoch nicht, dass Colonel Reed und seine Männer davon besonders beeindruckt wären.
Der große Mann seufzte im Bewusstsein, dass er in den sauren Apfel beißen und das Problem frontal angehen müsste. Es gab nur eine Lösung, und so sehr er die Probleme auch bedauerte, die sich daraus ergeben würden, er würde seine Pflicht tun.
»Cathal«, sagte er laut und blickte auf.
Cathal Mana, ein subalterner Adjutant, sah bei
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