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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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man auf sich selbst zurückgeworfen. Inzwischen kam mir selbst der Deutschunterricht vor wie ein bloßer Zeitvertreib. Wahrscheinlich war ich für dieses Bohemien-Leben einfach nicht gemacht. Und wahrscheinlich hatte ich auch insgeheim Angst davor, meinen Stillstand noch länger auszudehnen. Inzwischen wusste ich, dass Dr. Goodchild vor all den Monaten in Calgary recht gehabt hatte: Was blieb mir schon anderes übrig, als wieder zu arbeiten?
    Etwa eine Woche bevor ich beschloss, nach Hause zurückzukehren ( nach Hause ? Das war das erste Mal seit Jahren, dass ich dieses Wort wieder verwendete), schickte ich meinem alten Harvardkontakt Margaret Noonan eine E-Mail. Ich schrieb, dass ich meine wissenschaftliche Laufbahn aufgrund einer »persönlichen Tragödie« hätte unterbrechen müssen, es aber doch sehr vermisste, vor einem Seminar zu stehen und über Literatur zu sprechen. Ob sie vielleicht irgendeine Dozentenstelle für mich hätte?
    Schon einen Tag später bekam ich eine Antwort. Noonan schrieb, dass sie selbstverständlich von meiner »persönlichen Tragödie« gehört hätte, sie könne nur ihr »aufrichtiges Beileid« zu meinem »furchtbaren Verlust« aussprechen. Sie freue sich jedoch zu hören, dass ich bereit sei, »in die Welt zurückzukehren«.
    In die Welt zurückkehren? Vielleicht, aber unter anderen, völlig neuen Umständen.
    Sie schrieb auch, dass ich Glück hätte. Ob ich das Colb College in Maine kenne? Eines der zwanzig besten Colleges für Geisteswissenschaften, idyllisch gelegen, intelligente Studenten. Dort sei eine auf zwei Jahre befristete Stelle frei geworden, da mein Vorgänger gerade ein attraktives Angebot aus Cornell bekommen habe. Und obwohl ich mich gegen acht weitere Kandidaten durchsetzen müsse, würde mein Lebenslauf bestimmt gut ankommen. Ob ich Interesse hätte? Ich mailte zurück und schrieb, dass ich tatsächlich Interesse hätte. Fünf Tage später erfuhr ich, dass ich in einer Woche ein Vorstellungsgespräch haben würde.
    Also warf ich mein Rückflugticket nach Calgary in den Müll und buchte einen einfachen Flug nach Boston. Ich verließ meine Wohnung und verabschiedete mich von Johann. Wir verbrachten noch eine letzte Abschiedsnacht zusammen. Als er am nächsten Morgen aufbrach, sagte er: »Ich habe die Zeit mit dir genossen.« Dann küsste er mich auf den Scheitel und war verschwunden. Auf dem Weg zum Flughafen wurde mein Taxi um das Brandenburger Tor umgeleitet, und ich passierte ein letztes Mal das Holocaustmahnmal. Nach Tagen mit Graupelschauern durchdrang doch tatsächlich die Sonne die düstere Berliner Himmelsglocke. Es war richtig mild. So mild, dass drei junge Leute beschlossen hatten, drei Gedenkstelen in Sonnenliegen umzufunktionieren. Das empörte mich nicht, im Gegenteil, ich fand es merkwürdig beruhigend. Was für mich eine Metapher für all die versteinerte Trauer in der Welt war, sahen sie als Möglichkeit zum Sonnenbaden. Selbst in seinen quälendsten Momenten ist das Leben nie mehr als ein paar Schritte von der ihm ebenfalls innewohnenden Absurdität entfernt.
    Als das Flugzeug später an jenem Tag den Sinkflug auf Boston antrat, spürte ich nichts als Angst. Ich fragte mich, wie ich es dort jemals aushalten sollte. Ich mietete noch am Flughafen einen Wagen und fuhr direkt nach Waterville, Maine. Das College hatte mir ein Hotelzimmer reserviert. Der Fakultätsvorsitzende – ein energiegeladener junger Mann namens Tad Morrow – lud mich zum Abendessen ein. Ihm gefiel mein Buch. Ihm gefiel mein Lebenslauf. Ihm gefiel, dass ich mich gut mit den neuesten Romanen und Filmen auskannte. Er hatte sich sogar selbst eine Weile als Bibliothekar versucht. Aber auch mich überzeugte, wie er das College beschrieb und die Vorteile, in Maine zu leben. Gleichzeitig gab er zu, dass man hier oben doch ziemlich von den Elite-Unis abgeschnitten war.
    »Damit kann ich leben«, sagte ich. Und am nächsten Tag schaffte ich es trotz des Jetlags, das Bewerbungsgespräch zu absolvieren. Und zwar so gut, dass ich bei meiner Rückkehr nach Bosten, wo ich in Bahnhofsnähe in einem Hotel namens Onyx abstieg, noch am selben Abend eine Nachricht von Margaret Noonan vorfand. Ich war die letzte Bewerberin gewesen und hatte den Job, der im September beginnen würde.
    »Der Fakultätsvorsitzende hat angedeutet, dass eine feste Stelle daraus werden könnte – vor allem, wenn Sie in der Zwischenzeit ein weiteres Buch veröffentlichen. Meinen Notizen entnehme ich, dass Sie früher an einer

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