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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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Ich hatte zwar ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht vorhatte, sie und meine Kollegen zu besuchen, spürte aber auch, dass es besser so war. Ich wollte nur die paar Rechnungen bezahlen, die noch offen waren, meine Bücher nach Maine schicken, einen Nachsendeantrag bei der Post stellen, meinen Mietvertrag und mein Bankkonto kündigen: was bei einem Umzug eben so anfällt.
    Als ich am nächsten Tag um die Mittagszeit in Calgary ankam, war das alles in wenigen Stunden erledigt. Ich ging sogar auf einen letzten Cappuccino ins Café Beano – und fragte an der Bar, ob ich ein kurzes Ortsgespräch führen dürfe.
    Ich wählte die Nummer der Bibliothek. Für den Fall, dass Ruth Fowler an der Rezeption säße, legte ich mir gedanklich einen fürchterlichen englischen Akzent zu, mit dem ich sie bitten würde, zu Vernon durchgestellt zu werden. Doch er ging beim dritten Klingeln dran und sagte seinen Namen in diesem vorsichtigen Ich-bin-kein-großer-Redne r -Ton.
    »Vern, ich bin’s.«
    Ein langes Schweigen entstand, bis ich es schließlich brach.
    »Bist du immer noch böse auf mich?«
    »Ich war nie böse auf dich«, sagte er.
    »Ich an deiner Stelle wäre böse gewesen.«
    »Wo bist du gerade?«
    »In Calgary – aber bitte behalte das für dich.«
    »Dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben. Du weißt ja, dass ich hier kaum mit jemandem rede.«
    »Hättest du heute Abend zufällig Zeit für einen Drink?«
    »Ich gehe ins Beethovenkonzert von András Schiff. Leider ist es seit Langem ausverkauft, sonst würde ich sagen, komm doch mit. Aber morgen bin ich frei. Hast du Zeit?«
    »Ich habe Zeit.«
    Am nächsten Morgen stand er um zehn vor meinem Wohnblock. Er trug wie immer seinen braunen Mantel und das Cordkäppi (die Montur zog er wahrscheinlich auch am Strand an, falls er jemals an den Strand ging). Er begrüßte mich wie immer mit einem zögerlichen Kopfnicken.
    »Hast du heute Abend schon was vor?«, fragte er, als ich die Autotür hinter mir zuzog.
    »Also, ehrlich gesagt, nein. Meine Bücher und mein Koffer sind gepackt. Morgen um elf geht mein Flugzeug. Ansonsten …«
    »Wie wär’s mit einem Ausflug?«, fragte er.
    »Raus aus der Stadt?«
    Er hörte die Angst in meiner Stimme.
    »Ja, allerdings nicht in Richtung Süden. Da müssen wir nicht hin.«
    Der Süden bedeutete Townsend und die es umgebende Einöde. Wir müssen da nicht hin. Wollte Vern damit andeuten, dass er mich durchschaut hatte?
    »Ich dachte eher an den Nordwesten, vorausgesetzt, du hast nichts dagegen.«
    »Ich glaube, ich schaffe das.«
    Wir fuhren los, wie immer lief CBC 2. Eine ungemütliche Minute lang schien es uns beiden die Sprache verschlagen zu haben.
    Dann sagte ich: »Ich möchte mich entschuldigen.«
    »Wofür?«
    »Dafür, dass ich dich als Alkoholiker bezeichnet habe.«
    »Warum? Es stimmt doch. Ich bin Alkoholiker.«
    »Es war trotzdem gemein, so etwas zu sagen.«
    »Das hat mir nichts ausgemacht.«
    »Aber mir schon.«
    Schweigen. Dann fragte er: »Hast du das von Ivy MacIntyre gehört?«
    »Ich lese schon seit Monaten keine Zeitungen mehr.«
    »Dann hast du was verpasst: Anscheinend hatte Brenda MacIntyre eine Affäre mit Coursen, ohne zu wissen, dass er ihre Tochter festhielt. Jetzt, wo sich die öffentliche Meinung gegen sie gerichtet hat, ist sie untergetaucht.«
    »Wie geht es dem Mädchen?«
    »Die Ärzte konnten ihren Fuß tatsächlich retten. Jetzt ist sie in irgendeiner Reha bei Toronto, wo man sich um schlimm traumatisierte Kinder kümmert. Ich weiß das nur, weil der Herald jeden Tag etwas Neues über den Fall berichtet hat. Die Presse konnte nicht genug davon kriegen.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Man wird Brenda zweifellos das Sorgerecht entziehen. Und wenn Ivy so weit ist, wird man eine Pflegefamilie für sie suchen.«
    »Und wie sind Polizei und Presse damit umgegangen, dass sie George MacIntyre dermaßen verteufelt haben?«
    »Die Polizei hat sich lang und breit entschuldigt, der Herald hat sein vorschnelles Urteil ebenfalls in einem Leitartikel bereut, und die Provinz hat gerade verkündet, dass Ivy MacIntyre eine Wiedergutmachungszahlung in Form eines zwei Millionen schweren Trusts erhalten wird.«
    »Davon wird ihr Vater auch nicht mehr lebendig«, sagte ich. Wieder sah ich vor mir, wie sie mit dem Gesicht nach unten im Auto lag und sagte, wie sehr sie sich nach ihrem Daddy sehnte.
    »Wenn man den Zeitungen glaubt, will sie immer noch die Frau treffen, die sie gerettet hat. Sie haben ihre Belohnung

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