Aus der Welt
Biografie über Sinclair Lewis gearbeitet haben. Könnten Sie sich vorstellen, damit fortzufahren?«
»Vielleicht.«
Da war es: das Jobangebot, die Motivation, in die Welt zurückzukehren.
Ich war immer noch ganz erschöpft von dem Flug, aber weil mir die Hoteldirektion eine kostenlose Flasche Wein aufs Zimmer geschickt hatte, feierte ich meinen Erfolg mit ein paar Gläsern australischen Rotweins. Gegen Mitternacht war ich immer noch viel zu aufgedreht, um schlafen zu gehen. Ich wählte eine Nummer, die ich schon seit Monaten hatte wählen wollen.
Ich konnte hören, wie Christy scharf einatmete, als ich Hallo sagte.
»Ach du meine Güte«, rief sie. »Wo steckst du? Wie geht es dir?«
»Das ist eine ziemlich lange Geschichte«, sagte ich. »Aber um es kurz zu machen: Ich bin in Boston, und es geht mir … ganz gut, glaube ich.«
»Ich habe mindestens sechshundertmal versucht, dich zu erreichen …«
»Ich weiß, ich weiß. Und du weißt hoffentlich, warum ich einfach nicht mit dir sprechen konnte.«
»Ich weiß das mit Montana und deinem Flug nach Calgary. Ein halbes Dutzend Mal wollte ich schon ins Auto springen und dich unangemeldet besuchen … Aber Barry hat mir davon abgeraten.«
»Wer ist Barry?«
»Barry Edwards ist Stadtplaner, hier in Eugene. Ehrlich gesagt ist er der Stadtplaner von Eugene, Oregon. Und seit einem halben Jahr zufällig auch mein Mann.«
»Das sind ja aufregende Neuigkeiten!«
»Ja, ich war selbst ganz überrascht.«
»Bist du glücklich?«
Sie lachte.
»Genau wie du weiß ich gar nicht, was glücklich sein heißt. Aber ich kann nicht klagen. Und ich habe noch mehr Neuigkeiten, die ich dir lieber gleich beichte: Ich bin schwanger.«
»Das ist ja … wunderbar«, sagte ich. »Wann ist es so weit?«
»In sechzehn Wochen. Aber es fällt mir nicht leicht, dir das zu sagen.«
»Trotzdem hast du es gerade getan. Und ich bin froh, dass du es gleich getan hast und nicht erst später, wenn ich dich besuche.«
»Das sind wirklich Neuigkeiten! Weißt du schon, wann?«
»Das hängt ganz von dir ab.«
»Bei mir ist alles beim Alten: Dienstags und donnerstags lehre ich an der Universität. Ansonsten schließe ich mich jeden Tag von drei bis sechs ein, um ein wenig kreativ zu sein. Wenn ich Glück habe, bringe ich doch tatsächlich alle zehn Monate ein Gedicht zustande. Aber was ist mit dir ? Ich will mehr wissen.«
»Das erzähl ich dir alles am Freitag. Ich werde in zwei Tagen nach Calgary fahren, um mit meinem dortigen Leben abzuschließen. Von dort aus kann ich bestimmt nach Portland fliegen.«
»Was bringt dich zurück nach Boston?«
»Am Freitag erfährst du die ganze Geschichte.«
»Und du hast nicht vor, Theo zu besuchen, obwohl du ganz in der Nähe von Cambridge bist?«
»Um Himmels willen, nein. Seit ich ihm und seiner Geliebten in dem Diner beim Harvard Square begegnet bin, hatte ich keinen Kontakt mehr.«
»Ja, ich habe von dem Vorfall gehört.«
»Das kann ich mir denken. Die Welt ist manchmal klein.«
»Aber ich weiß auch, dass Theo mit dir reden will.«
»Und woher, wenn ich fragen darf?«
»Weil er mich alle paar Monate angerufen und gefragt hat, ob ich inzwischen weiß, wo du steckst. Zweimal war er ziemlich betrunken und weinerlich. Er hat erzählt, dass Adrienne ihn sitzen gelassen hat und dass keine Stunde vergeht, in der er nicht an Emily und dich denkt. Wie sehr er sich wünschte …«
»Ich möchte nichts davon hören.«
»Das kann ich dir nicht verdenken. Also dann bis Freitag. Mail mir die genaue Ankunftszeit. Ich hol dich ab.«
»Ich freue mich wirklich über deine Neuigkeiten, Christy. Ehrlich.«
»Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet ich, die immer davor davonlaufen wollte!«
»Es kommt meist anders, als man denkt.«
»Ich bin so froh, dass du angerufen hast.«
»Ich bin auch froh.«
Danach stützte ich den Kopf in die Hände. Theo. In all den Monaten nach Emilys Tod hatte ich versucht, meine Wut auf ihn zu unterdrücken. In einer Sitzung nach meinem verunglückten Selbstmordversuch hatte mir Dr. Ireland gesagt, dass ich mich irgendwann von dem Hass auf ihn lösen müsse:
»Ich sage ja nicht, dass Sie ihm verzeihen müssen, denn das dürfte unmöglich sein. Aber Sie müssen aufhören, ihn zu hassen. Denn dieser Hass wird Sie letztlich selbst vergiften. Wer hasst, verliert immer. Hass führt zu nichts, ist keine Lösung und kann die Zeit auch nicht zurückdrehen. Irgendwann – und das kann noch Jahre dauern – werden Sie sich davon
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