Aus Freundschaft wurde Liebe (German Edition)
den ganzen Abend nicht erreichen konnte?“, fragte sie lauernd. „Sag nur nicht, du bist erst spät von deinem Krankenbesuch heimgekommen. Das würde ich dir nämlich nicht glauben, weil ich es bis Mitternacht immer wieder versucht habe.“
„ Soll das ein Verhör sein, Janina?“, fragte er scharf. „Ich glaube nicht, dass du ein Recht darauf hast. Du wirst von mir immer die Wahrheit erfahren, wenn du mich anständig danach fragst. Ich habe nichts vor dir zu verbergen.“
„ Wirklich nicht? Dann erkläre mir bitte einmal, wo du die vorletzte Nacht verbracht hast. Bei deiner Mutter auf keinen Fall.“
„ Das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe bei dem kranken Kind geschlafen. Auf einem Gästebett, das ich mir neben Melanie ins Zimmer geschoben habe. Reicht das, um dich von meiner Ehrbarkeit zu überzeugen?“
Es reichte ihr keineswegs. „Gehört es vielleicht zu deinen Pflichten, dass du auch gleich die Nachtwache bei einem Kranken übernehmen musst? Oder gibt es noch einen anderen Grund, warum du in diesem besonderen Fall eine Ausnahme machen musstest? Kann es sein, dass du dein Herz auch für die arme, verlassene Mutter deiner kleinen Patientin entdeckt hast? Sie hat dir wohl leid getan, darum hast du die Nachtwache bei ihrem Kind übernommen.“
„ So ein Blödsinn“, entfuhr es ihm grob. Gleich darauf entschuldigte er sich. „Susanne hat mir leid getan“, gestand er widerwillig ein und schämte sich, weil er auf einmal erkannte, dass das nicht der einzige Grund dafür war, warum er sich derart engagierte. „Es ist nicht leicht für sie, ein krankes Kind zu versorgen, und auch noch Geld verdienen zu müssen. Dazu kommt auch noch die Sorge um ihren kranken Vater.“
„ Wie verständnisvoll du doch bist“, spottete sie. „Ich frage mich, warum dir ausgerechnet ihr Schicksal so nahe geht?“
Er schwieg betroffen. Sollte er alles abstreiten? Aber was würde er dadurch gewinnen? Wenn er seine Redekunst aufwandte, gelang es ihm sicher, seine Verlobte davon zu überzeugen, dass er das alles nur aus reiner Menschlichkeit getan hatte, weil ihm die junge Frau ganz einfach leid tat. Aber was gewann er dadurch? Mit der Liebe zu einer anderen in seinem Herzen durfte er Janina nicht heiraten. Tief in seinem Inneren wusste er allerdings, dass ihn nichts so leicht von einem Weg abbringen konnte, den er einmal eingeschlagen hatte. Aber in diesem Fall musste er es tun, denn es ging hier nicht nur um sein Glück.
„Warum sagst du nichts, Simon?“, fuhr sie ihn an. „Es ist also wahr. Wenn du genau nachdenkst, kommst du sogar noch darauf, dass du bei ihr geschlafen hast und nicht bei diesem Kind. Du kannst mir ruhig die Wahrheit sagen. Ich bin auf alles gefasst.“
„ Hör endlich auf mit deinen Anschuldigungen, Janina.“ Mit einer müden Handbewegung fuhr er sich über die Stirn. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, so gut solltest du mich eigentlich schon kennen. Wenn ich dir sage, dass ich die Nacht bei Melanie verbracht habe, dann musst du mir das glauben. Aber du hast recht, wenn du sagst, dass ich das alles nicht nur aus reiner Menschlichkeit auf mich genommen habe. Ich habe die Kleine wirklich gern“, versicherte er. „Aber Susanne liebe ich, das ist mir jetzt erst klargeworden. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben, weil unsere gemeinsame Zukunft doch bereits fest geplant war. Es tut mir ja so leid.“
„ Leid tut es dir?“ Ihr Lachen klang schrill. Nur mühsam konnte sie die aufsteigenden Tränen zurückhalten. Er durfte auf keinen Fall glauben, dass sie sich seinetwegen kränkte. „Vermutlich tue ich dir sogar leid. Aber das kannst du dir sparen, mein Lieber. Ich würde dich nicht mehr heiraten wollen, selbst wenn du der einzige Mann auf dieser Welt wärest. Meine Eltern hatten schon recht, als sie mich vor dir warnten. Du passt nicht in unsere Familie, weil du gar nicht den Willen hast, Karriere zu machen. Eines Tages wirst du das sein, was auch dein Vater immer war. Ein armseliger kleiner Dorfarzt, der gerade so viel verdient, dass seine Familie nicht am Hungertuch nagen muss. Ich bin ehrlich froh, dass mir dieses Schicksal erspart bleibt.“
Mit vor Zorn verzerrtem Gesicht stand sie vor ihm. Ihre Stimme klang hart und verächtlich. Simon schaute sie an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Er verstand, dass sie verletzt war. Eigentlich hat sie ja recht, sah er plötzlich ein. Er hatte nicht grundlos gezögert, nach einem Nachfolger für die Praxis
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