Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
wollte. Es fühlte sich an, als sei ich seit Jahren endlich einmal wieder allein. Ich klappte im Schutz der langen Tischdecke meine Puderdose auf, um diskret in dem kleinen Spiegel nach Verschleißerscheinungen zu fahnden. Unauffällig beseitigte ich einen Brotkrumen an meiner Wange, der dort bestimmt schon seit einer Stunde geklebt hatte. Auf dem Tisch lag noch eine saubere Serviette, und ich putzte meine Brille damit. Ich fragte mich, wie lange der Personalmensch Martin wohl noch beanspruchen würde und ob ich wohl tatsächlich Blasen an den Füßen hatte. Aber dann war ich nicht länger allein.
Bettina Anderson war an meinem Tisch aufgetaucht, offenbar wild entschlossen, mich beim Wort zu nehmen. Sie sah noch mitgenommener aus als ich, auf dem Rock ihres grünen Kleides prangte gleich vorne ein auffälliger Fettfleck. Außerdem wirkte sie noch immer so angespannt wie zu Beginn des Abends.
Obwohl ich Mitleid mit ihr hatte, beschlich mich das dumpfe Gefühl, sehr, sehr vorsichtig sein zu müssen.
„Aurora, Sie müssen mir helfen!“, verkündete sie ernst. Der Lippenstift auf ihrem breiten Mund war abgerieben, und ihre Nase hätte dringend neu gepudert werden müssen. Sie klammerte sich an meinen Arm, und ich biss die Zähne zusammen, um die Berührung zu ertragen.
„Sagen Sie mir, was nicht in Ordnung ist“, bat ich betont gelassen.
„Jack Burns starb doch in Ihrem Garten. Hat er vorher noch etwas sagen können?“
Da waren wir also wieder bei Jack Burns gelandet. Krampfhaft bemühte ich mich, ihn nicht erneut fallen zu sehen. Morgen sollte die Beerdigung stattfinden, mir wurde schon beim bloßen Gedanken daran ganz anders. „Nein“, erklärte ich müde. „Er war tot, als er aus dem Flugzeug fiel, Bettina. Da bin ich mir ziemlich sicher. Er hätte gar nichts sagen können.“ Das schien sie nicht zu überzeugen, aber mir ging langsam die Höflichkeit aus. „Was geht Sie das eigentlich an?“, fuhr ich fort.
„Ich habe solche Angst!“ Das glaubte ich ihr tatsächlich, man konnte ihre Angst förmlich spüren.
„Er hat von uns gewusst“, fuhr sie fort, woraufhin ich einen grauenhaften Moment lang fürchtete, Burns könnte von einer Affäre zwischen Bettina und meinem Mann gewusst haben.
Aber dann meldete sich bei mir der gesunde Menschenverstand zu Wort, und ich schaffte es, eins und eins zusammenzuzählen.
„Dann ist Ihr Mann im Zeugen … “
„Leise!“
Ich sah mich um: Im Umkreis von drei Metern befand sich nicht eine Menschenseele.
„Woher wissen Sie davon?“, wollte Bettina aufgeregt wissen.
„Es war nur ein Gerücht, das ich ...“
„Dann wird darüber geredet? Oh mein Gott!“
„Also ist Bill derjenige, welcher?“
„Nicht Bill! Ich!“
„Was?“
„Ich habe bei einer dieser Briefkastenfirmen von Johnny Marconi als Buchhalterin gearbeitet.“
„Wow.“ Mit offenem Mund starrte ich die unscheinbare Frau an, die geholfen hatte, einen so bösartigen Mann hinter Gitter zu bringen. Johnny Marconi war in jedes nur denkbare Verbrechen verwickelt gewesen und ein vielfacher Mörder.
„Also? Haben die von Jack erfahren, wo wir sind und wer wir jetzt sind?“ Bettina starrte mich an, als würde mir die Antwort ganz bestimmt einfallen, wenn sie es nur stark genug wollte.
„Das weiß ich nicht.“ Wie gern hätte ich ihr eine andere Antwort gegeben.
„Dryden kann es nicht herausfinden, niemand kann es herausfinden, also hocken wir jeden Abend da und warten, dass sie kommen.“
„Mr. Dryden muss doch aber den Autopsiebericht gelesen haben“, sagte ich. „Stand dort denn, dass Jack gefoltert worden ist, ehe er starb?“
„Nein. Aber der Aufprall hat doch sicher auch Spuren verwischt. Sie könnten ihn auch mit einem Messer oder mit vorgehaltener Pistole bedroht haben, ohne die Waffen wirklich zu benutzen, ehe sie ihm umbrachten.“
Ich zerbrach mir den Kopf. Wie konnte ich diese Frau beruhigen?
„Wenn Jack etwas verraten hätte, wären sie doch sicherlich schon bei Ihnen vorbeigekommen.“ Mehr fiel mir nicht ein. Ich versuchte, mir einen Auftragsmörder der Mafia vorzustellen, der von Chicago nach Lawrenceton, Georgia reist, im örtlichen Supermarkt Erkundigungen einzieht ... Nein, das alles überstieg mein Vorstellungsvermögen.
„Hat Ihr Mann in Chicago auch für Pan-Am Agra gearbeitet?“, fragte ich.
Sie starrte mich einen Augenblick lang verständnislos an. „Nein, aber er hatte einen ähnlichen Job bei einer ähnlichen Firma und war mit den Sozialleistungen
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