Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
zunickte. Die Ankunft des Chefs in diesem Kreis führte zu einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Reaktionen.
„Wenn ich an ihr kleines Mädchen denke, hoffentlich nicht“, sagte ich. „Bei ihm wäre es auch schon die zweite Scheidung.“ Dann aber mussten wir unsere Privatunterhaltung abbrechen und uns unseren gesellschaftlichen Verpflichtungen widmen. Martin kannte jeden einzelnen Mitarbeiter am Tisch mit Namen und ließ sich mit sichtlichem Interesse die jeweiligen Angetrauten vorstellen. Für diese Art sehr echt wirkender Herzlichkeit fehlte mir jegliches Talent, aber ich gab mir Mühe, mich meinem Mann anzupassen. Ich versuchte, mich an der lockeren Unterhaltung zu beteiligen, die er mühelos in Gang hielt. Hoffentlich sah man mir die Anstrengung nicht allzu sehr an.
Ich betete vor solchen Festivitäten immer darum, es möge mir gelingen, nachzudenken, ehe ich etwas sagte. Am besten gleich zweimal. Auf keinen Fall wollte ich Stoff für irgendwelche amüsanten Anekdoten liefern.
So erörterte ich mit einer dreifachen Mutter die Probleme unseres Schulsystems, ließ mir von einer anderen Frau erklären, wie sie es schaffte, all ihre Kleider selbst zu nähen, und sprach mit einer dritten über Rosen und deren Pflege. Insgesamt arbeitete ich mich recht erfolgreich und stetig durch den Abend, ohne großen Appetit auf das gegrillte Huhn mit Weißkohlsalat, aber fest entschlossen, meine Pflichten der Firma gegenüber zu erfüllen. Als der Personalchef, der bei solchen Gelegenheiten den Conférencier spielen musste, aufstand, um die ersten Witze zu reißen und Martin vorzustellen, stieß ich insgeheim einen Seufzer der Erleichterung aus.
Martin bewährte sich wieder einmal, indem er seine Rede auf ein paar wohlgesetzte Worte über die Produktivität des Werks beschränkte, kurz die Ziele für das nächste Jahr umriss und betonte, wie stolz es ihn mache, mit so wunderbaren Menschen zusammenarbeiten zu dürfen. Dann erwähnte er noch seine neu erwachte Liebe zu Georgia, die er galant unter anderem seiner Heirat mit einer echten Pfirsichblüte dieses Staates zuschrieb. Er beendete das Ganze mit ein paar netten, witzigen Worten, mit denen er allen schmeichelte, die hier waren, um sich schmeicheln zu lassen.
Während mein Mann sprach, saß ich ihm zugewandt und behielt ein mildes Lächeln auf den Lippen. Aber mein Blick huschte, so gut es ging, über die bekannten Gesichter in der Menge. Paul sah Martin an, schien aber in Gedanken meilenweit entfernt. Wahrscheinlich hörte er kein Wort von dem, was mein Mann von sich gab. Perry schenkte der kleinen Rede überhaupt keine Aufmerksamkeit. Wenn ich nicht total danebenlag, trieben er und Jenny Tankersley irgendetwas Neckisches unter der Tischdecke. Arthur vernachlässigte seine junge Begleiterin und funkelte Martin so wütend an, als hätte der gerade seine ganze Ahnenreihe beleidigt. Marnie Sands hörte aufmerksam zu – sie wollte doch sicher gehen, dass sie zu Recht stolz auf ihren Chef war –, und die Andersons flüsterten miteinander.
Ganz zum Schluss übergab Martin an mich. Es wurde Zeit, die von den örtlichen Betrieben gestifteten Geschenke auszuhändigen. Die anderen Firmen hatten sich nicht lumpen lassen, sie alle machten gute Geschäfte mit Pan-Am Agra. Dieses Jahr gab es zehn Preise zu verteilen. Ich musste in die Schüssel langen, einen Zettel herausfischen, die Namen aufrufen und die Menge nach dem Gesicht absuchen, das nach Nennung dieses Namens glücklich aufleuchtete. Dann band ich das passende Ei vom Baum und händigte es dem jeweiligen Gewinner aus. Der musste es auf der Stelle auspacken, damit alle die Großzügigkeit des entsprechenden Spenders bewundern konnten. Diesen Teil des Abends genoss ich, auch wenn es sich manchmal etwas schwierig gestaltete, die auf die Zettel gekritzelten Namen zu entziffern. Es war schön, Leuten Sachen überreichen zu dürfen, die sie glücklich machten, zumal es mich nichts kostete.
Einer der Gewinner saß zufällig an Arthurs Tisch. Als ich seinen Namen aufrief, bemerkte ich, dass Arthur mich ansah, als hätte er seit Tagen nichts gegessen und ich sei ein leckeres Grillhähnchen.
Noch nie hatte ich mir dringender eine Wasserpistole gewünscht.
Endlich schleppte sich der Abend dem Ende seines offiziellen Teils entgegen. Die Paare, mit denen wir zusammengesessen hatten, verabschiedeten sich eins nach dem anderen höflich, und Martin entschuldigte sich, weil er dem Personalchef für die gelungene Veranstaltung danken
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