Aus heiterem Himmel (German Edition)
Kleidung hatte er sich gestohlen, und er hatte sich mit einer Gang herumgetrieben, die denen in Los Angeles in nichts nachstand.
Mit zehn Jahren hatte er den ersten Mord erlebt. Es war um ein Paar Stiefel gegangen.
Als er elf war, hatte seine Mutter die Bar verkauft und war weggezogen. Ohne ihn.
Mit siebzehn hatte er sich selbst als hoffnungslosen Fall betrachtet. Und dann hatte er einen Fehler gemacht, indem er versuchte, einem australischen Touristen das Portemonnaie zu stehlen. Der Mann, Seely McGraw, war Polizist gewesen. Anstatt ihn ins Gefängnis zu bringen, hatte er ihn mit sich nach Australien genommen. Irland hatte ihm keine Träne nachgeweint.
In Australien hatte Seely ihn durch die restliche Schulzeit gebracht und aus ihm einen einigermaßen anständigen Menschen gemacht. Das, was ihn umtrieb, immer weiterzuziehen, hatte er allerdings nicht zum Schweigen bringen können.
Nach Seelys Tod hatte er seine Reiselust ausgelebt und war in Europa, Asien, Afrika und Südamerika gewesen. Dann war er in die USA gekommen und schließlich in Kalifornien gelandet.
Jetzt, zum ersten Mal im Leben gefiel es ihm wirklich an einem Ort, und er hatte sich ein Zuhause geschaffen.
Manchmal fragte er sich, wie lange es dauern mochte, bis es ihn wieder weitertrieb. Das konnte sicher nicht mehr lange dauern, aber bis dahin wollte er sein Hiersein genießen. Hin und wieder wunderte er sich regelrecht darüber, wie weit er es gebracht hatte.
Das Leben hier gefiel ihm. Er hatte einen Beruf, der ihm Spaß machte, und Geld besaß er mehr als ausreichend.
Doch jetzt wollte jemand ihn unbedingt an seine Vergangenheit erinnern, als er noch der kleine Herumtreiber in Irland gewesen war.
Wütend tippte er eine Antwort ein.
Wer will das wissen?
Nein, das klang ja wie eine Ermutigung zu weiteren E-Mails. Dabei wollte er seine Vergangenheit vergessen.
Doch bevor Ty dazu kam, seine Frage zu löschen, klopfte es an der Tür, und er rief: “Herein.” Da er den Pizza-Service erwartete, hatte er die Tür offen gelassen.
“Hier hinten”, rief er und stand auf. Hoffentlich hatten sie nicht wieder das Bier vergessen.
“Ty?”
Das war nicht die Pizza, das war Nicole! Sie blickte ihn mit ihren großen grauen Augen an, und schlagartig war er heiß erregt. Diese Frau machte ihn schwach vor Begehren, und er hasste es, Schwächen zu haben. Dennoch sehnte er sich unbändig danach, ihre Lippen zu küssen und ihren Körper zu spüren. Offenbar sah man ihm seine Gedanken an, denn Nicole hob nun leicht irritiert die Brauen.
Rasch blickte Ty an sich hinunter. Nach dem Duschen hatte er sich kein Hemd mehr angezogen, und auch der Hosenknopf seiner Jeans stand offen. Als er den Knopf jetzt schloss, glitt Nicoles Blick von der Tätowierung an seinem Arm zu der Stelle seines Körpers, wo er am intensivsten auf ihre Nähe reagierte.
“Ich dachte, es sei der Pizza-Service”, erklärte er.
Abrupt blickte Nicole auf. Sie wirkte, als könnte sie sich nicht mehr erinnern, weswegen sie hergekommen war.
“Das kommt von Taylor”, sagte sie plötzlich und drückte ihm den Stapel Pläne, die sie bei sich trug, in die Hand. “Sie haben den Job, Mr. Architekt.” Damit drehte sie sich um.
“Nicole.”
Reglos verharrte sie, ohne sich umzudrehen. “Ja?”
Was hatte er gerade sagen wollen? Irgendetwas. “Ich habe den Job?”
“Habe ich das nicht gerade eben gesagt?”
“Ja, das haben Sie, Darling. Also, dann sollten wir feiern.”
Sie fuhr herum. “Feiern?”
“Genau.” Dieser glutvolle Blick gefiel ihm. Er zeigte, dass sie genauso aufgewühlt war wie er.
“Das mit Ihrem irischen Akzent ist wirklich merkwürdig.” Nicole stützte die Hände in die Hüften. “Sie sagen, Sie hätten keinen, aber als Sie eben ‘Herein’ gerufen haben, da war der Akzent wieder da. Sobald Sie mich dann erkannt haben, war er wieder weg. Und gerade eben haben Sie noch sehr wütend ausgesehen und überhaupt nicht in der Stimmung zum Feiern.” Sie blickte zum Computer. “Macht der Computer Sie wütend?”
“Nein.” Ty legte die Unterlagen beiseite und wollte seinen Monitor abschalten, aber aus Versehen drückte er die Enter-Taste und schickte damit seine Frage an den Absender der E-Mail – an Margaret Mary.
Wütend auf sich selbst blickte er auf den Bildschirm und fluchte laut.
“Was ist denn?”
“Ach, nichts.” Ty wandte sich vom Computer ab und atmete tief durch, bevor er sich an die Wand lehnte und Nicoles Anblick genoss.
Sie trug enge
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