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Aus Liebe zum Wahnsinn

Aus Liebe zum Wahnsinn

Titel: Aus Liebe zum Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Cadeggianini
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Italien, hatte sie gleich am Anfang gemeint. Ach so, sagten wir. Wir brauchen immer mehrere Abhebungen, um die ganzen Miet-Lire zusammen zu bekommen. Und die Automaten geben täglich andere Höchstsummen aus. Deshalb sammeln wir das Geld ab Monatsmitte für den Folgemonat. Und Tiefkühlfach, dachten wir, das sei doch ein gutes Versteck.
     
    Was Viola wohl hat, frage ich mich. Ich war unter einem Vorwand noch mal rausgegangen, direkt in den Supermarkt, stehe direkt vor der Truhe mit all den Meeresfrüchten. Haltbarkeitsdaten? Unauffällig. Was könnte es sein? Andrea, der Chef vom Supermarkt sieht mich, winkt, ob ich schnell helfen könne? Er montiert gerade einen Aufsteller: »Fitfeet: Der Zentimeter, der den Unterschied macht.« Fitfeet ist eine zusammenklappbare Plastikscheibe, nicht viel größer als eine Schallplatte. Eingelegt ist ein Kunststoffteppich. Eine Comiczeichnung erklärt das Wunderprodukt: Eine überfüllte Sportumkleide, am Boden Wasserpfützen, dazu zweierlei Strichmännchen, grimmige und grinsende. Die einen müssen mit ihren Füßen in den Modder des Umkleidebodens, die anderen haben Fitfeet. Ein privater Viertelquadratmeter, Hygieneinsel im Bazillenmeer, mein persönliches Polypropylen, egal, was außen rum passiert.
    Ich finde, Fitfeet passt ganz ausgezeichnet zu den Italienern, die doch einen sehr engen Kreis um sich selbst ziehen. Hauptsache, mir geht es gut. Auf meiner Liste »Supermarktprodukte zum Staunen und Freuen« Platz 2 .
    Während ich die Box stabilisiere, schiebt Andrea Papplaschen in Schlitze. Ich stelle mir den Fitfeet-Moment ohne Comic vor. Ich komme aus der Dusche, vor mir, hinter mir, überall Leute, die sich gerade umkleiden. Leute, die sich denken: O Mann, kann der Typ jetzt mal nicht so tropfen, schließlich wird der ganze Boden nass! Aber ich grinse in mich hinein, siegesgewiss, schüttele mich noch mal kräftig und schamlos wie ein Langhaarhund nach einem Flussbad und steige dann auf meine Fitfeetscheibe wie auf ein kleines Siegertreppchen. »Der Zentimeter, der den Unterschied macht.« Ein Traum.
    Und es ist natürlich very international: Dieses Produkt – The Original aus Prato – ist auf dem europäischen und auf dem US -Markt via Patent geschützt. Es wird als Revolution beworben, der »unentbehrliche Verbündete«. Auf der Verpackung reckt die Freiheitsstatue ihre Fackel gen Himmel, von links flattert die US -Flagge vor der New Yorker Skyline, im Hintergrund eine gigantische Fitfeetscheibe wie die aufgehende Sonne. »Fitfeet vorhanden in einer großen Strecke der Farben und der Koppelungen ein reales Art und Weisezusatzgerät!« Jetzt wird auch der deutsche Umkleidebodenproblemmarkt angegriffen.
    Andrea grinst mich an.
    »Mille grazie«, sagt er, und ob ich … Er zögert, dann sagt er, ach vielleicht doch ein andermal und »buona sera« und »tanti baci« und »bambini« und so weiter.
    Ich streife durch die Reihen, unruhig. Was ist falsch an Andrea, an seinen Vongole, an meinem Leben? Ich suche noch nach einer Ausrede, mit der ich gleich oben dann begründen kann, warum ich noch mal im Supermarkt war.
    Und tatsächlich entdecke ich in der Putzstraße en passant mein persönliches Number-One-Produkt, primo premio, Jackpot. Es heißt »Tris Guanti«, Putzhandschuhe, jetzt neu und extra: drei Stück in jeder Packung.
    Super, denke ich erst. Dann ein Zögern.
    Ich nehme das Tütchen, lese, drücke ein wenig drauf rum. Warum drei Handschuhe? Ich überlege, suche mir eine Angestellte – nein, es ist nicht Laura, auch Andrea finde ich nicht mehr – verlange Aufklärung. Das sei doch sehr praktisch, meint die Angestellte. Geht ein Handschuh kaputt, müsse man nicht gleich das ganze Paar wegwerfen. Dann gebe es da eben diesen Ersatzhandschuh.
    Ich nicke. Praktisch. Tatsächlich sei es mir auch noch nie passiert, dass beide Putzhandschuhe gleichzeitig kaputt gegangen wären. Da habe sie vollkommen recht.
    »Eben«, sie nickt noch mal, will sich schon wegdrehen, weitermachen.
    »Und welchen?«
    »Wie welchen?«
    »Ja, rechts oder links?«
    Sie schaut einen Moment leer. Auch sie knetet ein bisschen auf der Plastikverpackung, versucht durch das kleine Sichtfenster zu lugen, zuckt mit den Schultern: »Rechts?«
    Italien stellt zwingend logische Tatsachen in Frage. Etwa die, dass ein rechtskräftig verurteilter, gerichtlich bestätigt korrupter Politiker nicht noch mal wählbar ist. Vor allem nicht als Ministerpräsident. Oder eben die, dass die perfekte, unbezweifelbar

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