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Aus Liebe zum Wahnsinn

Aus Liebe zum Wahnsinn

Titel: Aus Liebe zum Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Cadeggianini
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Zio Roberto einmal pro Woche. Ob sie wisse, von welchem Tier das Leder des Armbands stammt? Gianna schaute ihn groß an. Tat sie unwissend? Oder war es die Hoffnung in die Gralsgarage, zum Wagen zu kommen, die sie verstummen ließ? Zio Roberto senkte die Stimme: »Es ist das Leder eines Fohlens.« Tiere und Roberto. Er mag sie bis zum Ende.
    Ein paar Monate zuvor hatte mich Roberto in ein Musikinstrumentemuseum in dem Dörfchen Tadasuni mitgenommen. Dort ist das weltweit vielleicht letzte Ciubuciubu ausgestellt. Es sieht aus wie eine in einem Waldorfkindergarten gebastelte Laute. Sein Ton: heiser, kratzig, grob. Ein Draht ist an einem aus Schwemmholz geschnitzten Arm montiert, dann ein Klangkörper aus einer Tierblase. Dazu ein brutaler Bogen: Indianerspiele statt Geige.
    Der Museumsdirektor schüttelte den Kopf, das sei alles andere als Kindergarten, gefährlich sei das Ciubuciubu, ein Kriegsgerät, und der Klangkörper sei nicht irgendeine Tierblase, sondern der Magen eines an Hunger gestorbenen, wilden Hundes. Sardische Banditen hatten das Ciubuciubu als Waffe gegen die Gendarmen des Königs entwickelt. Das menschliche Gehör sei außerstande, die volle Schwingungsbreite wahrzunehmen, aber die tiefen, rauchig kratzigen Töne machten Pferde verrückt. Rückte der König mit seiner Gendarmerie an, um die Banditen zu stellen, holten die ihre Ciubuciubus raus und spielten auf. Und die Poliziotti hob es aus den Sätteln. »Bis heute ist das Ciubuciubu gesetzlich verboten. Für das Ciubuciubu hier im Museum haben wir eine Sondergenehmigung.«
    Indianerspiele, Sondergenehmigung, Poliziotti holpern lassen – so was gefiel Roberto. Und auch ich finde es wirklich schade, dass diese fast unschädliche, aber höchst effektive Waffe nicht weiterentwickelt wurde. Man stelle sich vor: Ein Ciubuciubu gegen Trotzkinder. Ein Ciubuciubu gegen Angeberonkel. Das passende Ciubuciubu, ein bisschen darauf rumkratzen, und schon haut es das Ungemach aus dem Sattel.
     
    »Und«, fragte ich, »wie war’s?« Gianna tänzelte.
    »Babbo, der Ferrari vom Zio …« – sie riss ihre Augen auf – »… der ist so, so …« Ich wartete, ein bißchen verunsichert. »… so sauber.«
     
    Es ist in der Verwandtschaft umstritten, wie schlecht es um Robertos Augen wirklich steht. Die einen behaupten, er habe eine konstante Restsehstärke im mittleren zweistelligen Bereich, andere sagen, er sei phasenweise vollkommen erblindet, wiederum andere wollen von gar keiner Einschränkung sprechen. Seine Frau sehe sehr gut, und er höre prima. Was das Problem sei? Die Brillen jedenfalls von Zio Roberto sind groß, dick und undurchsichtig. Dazu hat er etliche Vorbauten, mit denen er je nach Sonnenlage die Brille weiter verdunkeln kann.
    Zio Roberto wurde schon ein paar Mal an den Augen operiert. Wenn man ihn fragt, wie es ihm gehe, kommt nur eine Litanei, die meistens darin endet, dass er wieder mal im falschen Haus sitze. Keiner weiß mit Sicherheit, wie viel er noch sieht. Sicher ist nur, dass Zio Roberto Jäger ist.
    Wenn Jagdsaison ist, fährt ihn seine Frau in ein umzäuntes Jagdrevier, in dem Förster das Jahr über Rehe und Wildschweine zahm und rund füttern. Ganz in der Früh müsse man fahren, noch vor Sonnenaufgang, da schieße man am besten, meint Zio Roberto. Tage und Wochen zuvor redet er von nichts anderem als davon, dass er wieder jagen gehe und wie früh er aufstehen werde.
    Zio Roberto ist ein leidenschaftlicher Jäger. Das merkt man auch daran, dass er ein Extraauto für die Jagd hat. Extraautos sind den besonderen Dingen in Robertos Leben vorbehalten, der Frau etwa oder der Garage. Und für die Jagd hat er den Vierradantriebsjeep. Den könne man so gut säubern, meint er.
    Zio Roberto selbst mag eigentlich kein Wild, ihm sei Schwein einfach lieber. Er hat einen Bauern, der ihm sein eigenes Schwein hält. Wenn eine Sau geworfen hat, kommt Zio Roberto und sichtet die Ferkel. Eines sucht er sich dann aus und wird zum Schweinepaten. Sein Maiale bekommt mehr Platz und Zuwendung, nicht das normale Mastfutter, sondern Kastanien, »von Hand gefüttert«. Das sei halt dann wirklich was ganz anderes.
    Wir haben schon sehr viel von Zio Roberto geschenkt bekommen. Schlegel und Rücken, Würste und Gulasch. Er verschenkt es stets mit großem Gestus: das Beste vom Besten, das kriegt man sonst nirgendwo, aber für mich, den Tedesco und die Bambini stehe er gern um vier Uhr in der Früh auf, ruiniere sich Ehe und Gesundheit, verderbe sich die

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