Aus Nebel geboren
fuhr sich mit den Händen durchs Haar, glitt an der Stange hinab und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Sie spreizte die Beine für ihn. Er lächelte. Sie ebenfalls. Nur für ihn. Nach der nächsten Drehung kam Fay direkt vor dem Typen auf die Knie. Sie lächelte immer noch, als sie seinen kalten Atem auf ihrer Haut spürte. Er kramte in seiner Börse nach einem weiteren Schein. Fay sah in die Lichter über sich und öffnete ihr glänzendes Oberteil. Sie wackelte mit den Brüsten vor seiner Nase herum und versuchte, die Gänsehaut zu unterdrücken, die in ihr aufstieg, als seine kalten, feuchten Hände ihr das Geld zusteckten.
Es regnete in Strömen, als Fay um vier Uhr morgens durch den Lieferanteneingang der Bar in den Hinterhof trat. Sie kramte in ihrer Tasche nach den Zigaretten und klopfte sich eine aus der Schachtel. Gino, der in der Bar nicht nur für Ordnung sorgte, sondern auch die Mädchen einteilte und ausbezahlte, reichte ihr ein Bündel Scheine. Er bot ihr Feuer an, und, nach einem tiefen Zug an der Kippe, steckte Fay das Geld in die Tasche zu ihrem Trinkgeld.
„Bis morgen“, verabschiedete sie sich und zog sich die Kapuze ihres Shirts über den Kopf.
Gino nickte und spähte die Gasse entlang. Es wäre nicht das erste Mal, dass Gäste meinten, nach Feierabend noch eine extra Nummer zu bekommen.
„Ja, bis morgen. Vielleicht fängst du dir morgen einen großen Fisch, Süße“, rief Gino ihr nach, als sie schon davonging.
Pah! Sie blies den Rauch aus und sah dem blauen Dunst hinterher, wie ihren verblassten Träumen. Als würde sich jemals ein großer Fisch in diese billige Absteige verirren!
„Sicher!“
Sie versuchte sich an einem Lächeln, wischte sich den Regen aus dem Gesicht und beeilte sich, nach Hause zu kommen. Die Skinny-Jeans klebte ihr unangenehm am Körper, und sie fühlte ihr Make-up davonschwimmen. Nicht einmal die Zigarette schmeckte ihr bei der Kälte, und sie wischte sich mit dem Ärmel über die Nase, als sie um die Ecke bog. Sie schlängelte sich durch eine Traube chinesischer Prostituierter, die beisammenstanden und sich wegen irgendetwas aufregten. Das grüne Kreuz der Nachtapotheke leuchtete ihr entgegen, und sie musste grinsen. Das Licht am Ende des Tunnels. Die Gitter vor der Apotheke waren heruntergelassen, aber es gab eine beleuchtete Glocke. Sie warf die Kippe in eine Pfütze und klingelte.
Es dauerte eine ganze Weile, ehe aus dem hinteren Bereich ein Schatten zur Tür geschlurft kam. Ein Mann in einem weißen Apothekerkittel öffnete das kleine Fenster in der Tür und sah sie mürrisch an.
„Was wollen Sie?“
„Ich brauche Prednisolon und Theophyllin“, erklärte Fay und kramte ihre Geldscheine hervor.
Der Mann runzelte die Stirn.
„Haben Sie ein Rezept?“
Scheiße! Fay biss die Zähne zusammen.
„Natürlich, aber ich habe es leider zu Hause vergessen … und es regnet doch so arg. Können Sie nicht ein Auge zudrücken?“
Der Mann wich einen Schritt zurück.
„Nein, das geht natürlich nicht. Kommen Sie mit dem Rezept wieder.“
Fay trat näher an die Öffnung und steckte die Scheine hindurch. „Halt! Warten Sie! Bitte, Sie verstehen nicht … ich brauche das Theophyllin! Sofort!“
Er zögerte.
Fay ärgerte sich, nicht ein freizügigeres Oberteil übergezogen zu haben, denn das hatte ihr schon so manches Mal zu den Medikamenten verholfen.
„Bitte! Meine Schwester kommt nicht einmal mehr aus dem Bett. Ich denke jede Nacht, dass sie stirbt, so pfeift ihre Lunge.“
Fay wedelte mit den Scheinen. „Bitte, Monsieur!“
Der Mann griff nach dem Geld und schloss die Klappe. Fay fluchte und lehnte verzweifelt ihre Stirn gegen die Gitter. Das war eigentlich das Geld für die ganze Woche gewesen. Zum Glück war morgen der 14. Juli, und ganz Frankreich würde im Ausnahmezustand versinken. Nach den ganzen Militärparaden, die die Pariser Straßen in ein Irrenhaus verwandeln würden, würde in den Bordellen und Stripclubs der Stadt Hochbetrieb herrschen. Fay hoffte auf einen guten Abend, denn sie hatten wirklich jeden Cent ihrer jämmerlichen Ersparnisse aufgebraucht, seit Chloé ihren Job in der Wäscherei verloren hatte.
Fay wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, als sich überraschenderweise die Klappe wieder öffnete. Der Mann reichte ihr eine kleine Plastiktüte.
„Kommen Sie wieder, wenn Sie ein Rezept haben, Madame“, riet er ihr und schloss entschieden die Klappe. Das Licht ging aus.
Sie riss die Tüte auf und hätte heulen
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