Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story
brauchten. Sobald ich mit den Sachen wieder zu Hause war, musste ich alles aufräumen und die erste Mahlzeit des Tages vorbereiten und kochen. Meine Tante achtete genau darauf, wie viel Geld ich ausgab. Ich durfte zum Beispiel kein Hackfleisch kaufen, ich musste das Fleisch am Stück kaufen und es dann zu Hause selber hacken, und zwar mit einem alten, von Hand betriebenen Gerät. Ich brauchte meine ganze Kraft, um das Rad zu drehen. Eines Tages, als mir die Zeit knapp wurde, versuchte ich, den Vorgang zu beschleunigen. Das Fleisch blieb im Wolf stecken, und ich drehte mit aller Kraft an dem Rad und machte das Gerät kaputt.
»Das musst du mir bezahlen, du ungeschicktes Ding!«, schrie meine Tante, als sie es herausbekam. Es sollte fast zwei Jahre dauern, bis ich diese Schulden beglichen hatte.
Sobald ich das Essen fertig hatte, musste ich es in den Laden hinübertragen, wo das Personal seit dem Morgengrauen bei der Arbeit war.
Manchmal hatte der Mann meiner Tante, ein Chinese, wohl Mitleid mit mir und wollte mir eine Freude machen, indem er mir zum Beispiel eine Cola kaufte.
»Warum hast du deinen Onkel gebeten, dir eine Cola zu kaufen?«, brüllte meine Tante dann, wenn sie herauskriegte, dass er ihr Geld vergeudete.
»Ich habe ihn nicht gebeten«, protestierte ich, »er hat sie mir geschenkt.«
Aber sie wollte mir nicht glauben. In ihren Augen war ich ein Parasit und eine Schnorrerin, die sich unter den Nagel zu reißen versuchte, was nur ging. Sie hatte nicht die Absicht, dergleichen zu dulden.
Sie war stets entschlossen, nur das Schlechteste von mir
zu denken. Wenn ich sie einmal bat, nach Hause fahren zu dürfen, um meine Mutter zu besuchen, befahl sie mir, mich splitternackt vor ihr auszuziehen, und dann durchsuchte sie meine Kleider und Taschen, um sich zu überzeugen, dass ich ihr auch nichts gestohlen hatte - die Unterwäsche ihrer Tochter zum Beispiel. Ich war immer recht neidisch auf meine Cousine, weil sie Hunderte von Jeans zu haben schien, von denen sie viele nicht einmal trug, und ich fand, sie könnte mir ja wenigstens eine davon schenken, denn schließlich sah sie ja, wie sehr ich bei dem Lohn zu kämpfen hatte. Damals hatte ich ein bisschen Babyspeck zugelegt und war so drall, dass mir so ziemlich alles, was sie mir gegeben hätte, gepasst hätte. Manchmal zeigte sie mir ihre Schränke und war sich dabei offensichtlich gar nicht bewusst, dass ich selbst rein gar nichts besaß.
»Ach, Gina«, seufzte sie, »ich weiß gar nicht, was ich mit diesen ganzen Klamotten anfangen soll.«
In ihren Augen - und in denen ihrer Mutter - war ich bloß das Hausmädchen, und deshalb verschwendeten sie keinen Gedanken an meine Bedürfnisse oder Gefühle, und mein Stolz erlaubte es mir nicht, etwas zu sagen.
Als der Sohn meiner Tante sich mit einem sehr hübschen Mädchen verlobte - sie war das Dienstmädchen einer seiner Schwestern -, zog sie auch noch bei uns ein. Wenn ihre Verwandten aus Manila zu Besuch kamen, musste ich für sie ebenfalls kochen. Die Verlobte war ein reizendes Mädchen; sie sprach oft mit mir wie zu einer Ebenbürtigen, denn sie erinnerte sich sicher daran, wie man sich fühlt, wenn man wie eine Dienstmagd behandelt wird. Aber wenn meine Tante uns erwischte, schimpfte sie mich aus, weil ich nicht mit meiner Arbeit vorankam. Sie
zeigte immer ganz offen, dass sie mich für minderwertiger als die anderen Familienmitglieder hielt, und das verletzte mich.
Später, wenn ich eine Abwechslung vom Alltagstrott brauchte, tauschte ich die Arbeit und wusch und putzte, anstatt zu putzen und zu kochen. Immer wenn ich die Kleider meiner Cousine bügelte, hatte ich den Eindruck, dass sie von sehr guter Qualität waren. Ich hoffte, dass ich mir, wenn ich älter wäre, auch so etwas Edles leisten könnte, und für meine Eltern und Geschwister ebenfalls.
Trotz des Gezeters meiner Tante war ihr Mann weiterhin hilfsbereit und nett zum Personal; er kaufte uns Seife und Haarwaschmittel und Zahnpasta, damit wir nicht unseren ganzen Lohn für diesen notwendigen Alltagskram ausgeben mussten. Meine Tante nörgelte die ganze Zeit an ihm herum, weil er ihr Geld für diese Dinge verschwendete.
»Du solltest dich nicht von ihnen beschwatzen lassen, ihnen so viel zu geben«, sagte sie zu ihm. »Sie verdienen ihren Lohn, sie müssen sich ihre Sachen selbst kaufen.«
Jedes Jahr werden die Philippinen von Wirbelstürmen heimgesucht, die nichts als Verwüstung hinterlassen. Damals, im Jahr 1987, als ich in dem
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