Aus Notwehr! - Aus Notwehr! - For a House Made of Stone. Gina's Story
einfach, etwas mit meinem Leben anzufangen, da ich ja kein Geld hatte und meine Tante jeden Monat eine andere Ausrede fand, um mir den Lohn zu kürzen. Ich brauchte einen Job dort oder einen Gönner, der mir eine Fahrkarte kaufte und mir half, einen Schritt weiterzukommen. Meine Mama hatte mir beim ersten Mal, als ich nach Manila fuhr, die Fahrkarte bezahlt, aber ich konnte sie nicht noch einmal bitten - nicht nach alldem, was inzwischen passiert war.
Dann kam Jun in mein Leben, und all meine Träume veränderten sich. Er arbeitete in der Lagerhalle eines Kaufhauses und stand oder saß oft mit Freunden oder Kollegen vor den Toren der Halle herum - er rauchte und lachte und plauderte, schnappte frische Luft und ließ einfach alle fünfe gerade sein. Als ich ihn zum ersten Mal sah, hatte ich das Gefühl, einen Stromschlag zu bekommen; nur ein Blick auf sein Gesicht ließ mein Herz schon schneller schlagen und trieb mir das Blut in die Wangen. Ich bekam kaum noch Luft. Noch nie hatte ich so ein Gefühl gehabt, und einen Moment lang war ich beunruhigt und fragte mich, ob ich wohl krank war.
Im Lauf der nächsten Tage stellte ich fest, dass ich die ganze Zeit über dieses Gefühl nachdachte - und über den Jungen, der es ausgelöst hatte; ich wollte etwas tun, wusste aber nicht was. Das Leben schien mir plötzlich voller Möglichkeiten und Versprechungen, aber gleichzeitig drängte sich mir der beängstigende Gedanke auf, dass das
alles vielleicht zu gar nichts führen könnte. Aber was sollte ein Mädchen wie ich tun, ohne dreist und unangemessen forsch zu wirken? All das war mir ein ebenso qualvolles wie verlockendes Rätsel.
Eines Tages, etwa eine Woche nachdem ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war ich mit anderen Bediensteten draußen und machte die Wäsche, wobei ich wie immer verschmitzte Blicke auf die andere Straßenseite warf. Ich sah, wie Jun aus der Lagerhalle kam, und mein Herz schlug schneller. Als er über die Straße zu uns herüberschaute, wandte ich meinen Blick ab. Meine Freundin beugte sich zu mir und flüsterte mir etwas ins Ohr.
»Schau dir den mal an«, kicherte sie. »Er ist süß, und ich glaube, er sieht mich an.«
»Nein«, sagte ich mit ziemlich großer Gewissheit. »Er schaut ganz eindeutig mich an.«
Ich empfand den gleichen aufregenden Stromschlag wie vorher und richtete meine ganze Aufmerksamkeit auf die Wäsche. Ich sah bewusst nicht zu ihm hinüber, während meine Freundin kicherte und mich so oft anstupste, dass es schon peinlich war.
Jeden Tag musste ich nachmittags in eine Bäckerei in der Stadt laufen, um Brot für den Nachmittagstee und für das Frühstück am nächsten Morgen zu kaufen. Zu Fuß war der Weg weit, und so fragte ich eines Tages das Tantchen, ob ich das Fahrrad ihrer Tochter ausleihen dürfte, weil es gerade niemand benutzte.
»Dann bin ich viel schneller wieder zurück und kann mit dem Kochen anfangen«, sagte ich. Mir war klar, ihr erster Gedanke wäre, dass ich ihre Freigiebigkeit ausnutzen wollte.
»Wenn du willst.« Sie zuckte mit den Achseln. Ganz
offensichtlich war es ihr egal, wie ich meine Arbeit tat, solange ich sie nur machte und sie möglichst wenig Geld dafür ausgeben musste.
Ich schob das Rad auf die Straße hinaus, stieg auf, schwankte ein bisschen, bis ich das Gleichgewicht fand, und trat dann in die Pedale in der Hoffnung, dass Jun zuschaute und mich elegant vorbeikurven sah. Ich war erst ein kleines Stück weit gefahren, als ein schreckliches Knacken zu hören war und die Pedale unter meinen Füßen durchdrehten. Ich stieg ab und sah, dass die schwarze ölige Kette lose in den Staub herunterhing. Wenn ich sie anfasste, würde ich mich bestimmt total mit Öl verschmieren, und das würde mir nicht gerade gut stehen.
»Möchtest du, dass ich sie dir richte?«, fragte die Stimme eines Mannes.
Ich schaute auf und sah Jun in die Augen. »Nein«, stotterte ich und lief rot an. »Ich komme schon klar, danke.«
»Ich mach das gern für dich«, sagte er, wobei er meinen Protest überging und sich nach unten beugte, um sich den Schaden anzusehen.
Er war aus der Nähe noch attraktiver als von der anderen Straßenseite - er hatte so eine blasse Haut, die Filipina-Mädchen toll finden. So wie Frauen aus dem Westen immer alle braun sein wollen, so möchten Filipinas lieber blass sein und setzen deshalb ihr Gesicht möglichst wenig der Sonne aus.
Mein Herz klopfte, und ich schnappte nach Luft, als sei ich am Ertrinken.
»Bist du die Tochter von
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