Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik
nahestehende Personen auswirken. Abgesehen von vernünftigen Zweifeln war ich nie unsicher in Bezug auf die Art, wie ich meinen Beruf und meine Karriere zu gestalten hatte. Ich habe immer genau gewusst, was im jeweiligen Augenblick das Richtige war. Mag sein, dass ich mich dabei das eine oder andere Mal geirrt habe, auf jeden Fall aber war ich stets entschlossen, mich jeder neuen Situation und jeder Veränderung zu stellen. Meine größte Schwäche dürfte sein, dass ich mich wegen meiner Vertrauensseligkeit zu oft habe ausnutzen lassen, statt energisch Nein zu sagen. Eigentlich neige ich dazu, mich eher zurückzuhalten, statt wütend zu reagieren. Wenn ich mich einer solchen Situation dann doch offen stelle, reagiere ich gewöhnlich etwas übertrieben. Sofern es um etwas Emotionales geht, bringe ich nicht den Mut auf, meinen Standpunkt von Anfang an klarzumachen.«
»Wenn man Sie bäte, Ihre Persönlichkeit in vier oder fünf Worten zusammenzufassen, welche wären das?«
»Ich halte mich für diszipliniert, umgänglich, vital und unternehmungslustig. Hinzufügen würde ich noch, dass ich die Fähigkeit besitze, die richtigen Mitarbeiter auszuwählen, wenn es gilt, neue Herausforderungen zu bestehen, wie das bei der Carreras-Stiftung der Fall war. Darüber hinaus halte ich mich – auch wenn das jetzt vielleicht eingebildet klingt – für einen guten Freund. Freundschaft hat in meinem Leben einen sehr hohen Stellenwert, und ich glaube, dass ich meinen alten Freunden die Treue halte, ganz so, wie sie es
mit mir tun. Ehrlich gesagt hat mir an der Freundschaft hochstehender Persönlichkeiten nie etwas gelegen. Wenn es dazu gekommen ist, habe ich mich bemüht, sie zu bewahren und zu pflegen, aber ich habe sie nie gesucht. Ich bin glücklicher bei unserem regelmäßigen Frühstück im Bosquet als bei Beziehungen mit Menschen, die in Palästen wohnen. Nichts ist wunderbarer als die Aufrichtigkeit dieser Freundschaften: Es gibt dabei weder Heuchelei, noch muss jemand vorgeben, etwas zu sein, das er nicht ist.«
»Kommen wir auf ein heikleres Thema: Würden Sie sich als sensibel bezeichnen? Gehen Ihnen Dinge leicht zu Herzen?«
»Ich bin sensibel, was bei einem Künstler zweifellos unerlässlich ist. Ich meine, dass ich gefühlsbetont und vor allem leidenschaftlich bin. Das gilt für meine Beziehung zu den Menschen um mich herum, vor allem zu meiner Tochter und meinen Enkelinnen, ohne dass das in Gefühlsduselei ausartet. Mitunter neige ich wohl zu sehr … ich will nicht gerade sagen, zum Kitsch, obwohl es da eine gewisse Nähe gibt. Ich sage ihnen gern liebevolle Dinge, gebe ihnen zärtliche Fantasienamen … So bin ich nun einmal. Bei meinem Sohn hingegen ist das anders. Abgesehen von ganz bestimmten Situationen war unsere Beziehung nie so, dass wir ›aus uns herausgegangen‹ wären. Zwischen uns sind nie Dinge gesagt worden wie ›Mensch, Papa, ich hab dich ja sooo lieb‹ …«
»Aber Albert hängt ganz offensichtlich an Ihnen. Das merkt jeder, der Sie nur zwei Minuten lang zusammen gesehen hat. Dabei geht es nicht um Bewunderung, obwohl Sie einander sehr ähnlich sind. Wenn er von seinem Vater spricht, liegt in seinen Worten eine ebenso tiefe Achtung wie Zuneigung. «
»Das ist mir bewusst. Wir hängen sehr aneinander, ohne das richtig zeigen zu können. Aber wir verstehen uns ohne Worte. Wenn man ihm bei Gesprächen über ernsthafte Themen, an denen andere
Menschen beteiligt sind, ob im Familienkreis oder unter Bekannten, eine Frage stellt, weiß ich, was er antworten wird. Es ist genau das, was auch ich darauf sagen würde.«
»Was bedeutet für Sie die Familie?«
»Ohne jeden Zweifel ist sie für mich eine Zuflucht. Das war schon immer so. Sicher hat das damit zu tun, dass meine Geschwister für mich von besonderer Bedeutung waren, weil ich meine Mutter sehr früh verloren habe. Ich habe mich von der Familie jederzeit beschützt gefühlt. Wegen meiner Karriere musste ich lange von zu Hause fort sein, hatte aber stets die Gewissheit, sie alle trotz der großen Entfernung um mich zu haben. Ich war mir stets der Liebe meiner Angehörigen bewusst, und ich stehe in gewissem Maße in ihrer Schuld, da ich denke, dass ich auf der Gefühlsebene stets mehr von ihnen bekommen als ihnen gegeben habe. Ich konnte mich jederzeit auf sie verlassen, vor allem auf meine Geschwister. Das haben sie mir in den schwierigen Augenblicken meines Lebens im Übermaß bewiesen. So war meine Schwester während des
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