Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik
Genesung gespielt und ist seitdem für mich von großer persönlicher Bedeutung. Als Arzt hat er mich geheilt und als Mensch beeinflusst. Seither sind wir miteinander befreundet, und er hat sich im Laufe der Zeit zu einer wichtigen Bezugsperson entwickelt. Auch an Papst Johannes Paul II. habe ich diesen Blick geschätzt, den nur wenige Menschen besitzen. Ich hatte 1988 Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, als ich in der Sala Nervi genannten Audienzhalle des Vatikans mit rund sechstausend Sitzplätzen in der Misa Criolla sang. So eindrucksvoll ein Aufenthalt in den Räumen des Vatikans ist, so sehr hat mich der Pontifex Maximus mit seiner menschlichen Wärme und Herzlichkeit überrascht, vor allem aber durch diesen unverwechselbaren Blick.
Die Liste bedeutender Persönlichkeiten, die Carreras im Laufe seines Lebens kennengelernt hat, ist bemerkenswert lang. Menschen, über die auf den Titelseiten der Weltpresse berichtet wird, sind auf ihn zugegangen, um ihn zu begrüßen und einige Minuten mit ihm zu plaudern. Ihm ist bewusst, dass ihn seine Verträge, das Protokoll oder einfach auch die gute Erziehung zu solchen Kontakten verpflichten. Bei diesen kurzen Begegnungen, bei denen man einander die Hand schüttelt und rasch einige Sätze wechselt, versucht er zu erkennen, was für ein Mensch sein jeweiliges Gegenüber ist. Das hat etwas Spielerisches an sich, so als wolle er feststellen, ob der Mensch, mit dem er da zu tun hat, dem Bild entspricht, das die Presse von ihm vermittelt.
Mein Beruf hat es mit sich gebracht, dass ich mit Menschen sprechen konnte, die sich sonst von Kontakten mit anderen fernzuhalten verstehen. So hatte ich Gelegenheit, mich einige Minuten lang mit Königin Elisabeth zu unterhalten, als ich 1986 bei einer Gala zu ihrem 60. Geburtstag im Londoner Drury Lane Theatre auftrat. Davon abgesehen, dass sie die Handschuhe anbehielt, als sie mir die
Hand gab, ist sie mir nicht übermäßig zugeknöpft vorgekommen, sondern eher so, als bemühe sie sich, mehr Gefühlswärme auszustrahlen, als sie vermutlich empfand. Weit zugänglicher hat da die spanische Königin auf mich gewirkt, mit der ich bei mehreren Konzerten in Barcelona, Madrid, auf Mallorca usw. zusammengetroffen bin. Sie ist eine begeisterte Musikliebhaberin, ein sehr herzlicher Mensch, der es versteht, anderen zuzuhören. Auch hatte ich mehr als einmal Gelegenheit, mit so gut wie allen Angehörigen der spanischen Königsfamilie zu sprechen. Juan Carlos I. besitzt die Gabe, mit Menschen umzugehen, und vermittelt ein Gefühl von Nähe, wie das nur wenigen gegeben ist. Ich erinnere mich an eine Geschichte aus dem Jahre 1983, kurz nachdem man das Komitee für die Feierlichkeiten zum fünfhundertsten Jahrestag der Entdeckung Amerikas aus der Taufe gehoben hatte, dessen Vorsitzender Juan Carlos war. Bei einem meiner Konzerte im Teatro Real von Madrid habe ich in der Pause mit meiner Familie die Loge aufgesucht, in der sich das Königspaar befand. Meine Tochter Júlia war damals vier Jahre alt, und König Juan Carlos begrüßte sie liebevoll. Viele Menschen tranken in der Pause etwas, und da das Kind offenbar begriffen hatte, dass der König derjenige war, der das Sagen hatte, ist sie mit einem Mal auf ihn zugegangen, hat ihn am Hosenbein gezupft und um ein Glas Orangensaft gebeten. Keiner wusste, was er sagen sollte – doch er hat die Kleine auf den Arm genommen, beim Kellner das Getränk bestellt und es ihr gegeben, während wir anderen nicht wussten, ob wir uns entschuldigen oder lachen sollten.
Auch mit einem Präsidenten der Vereinigten Staaten habe ich mich unterhalten können, nämlich mit George Bush senior, und ich muss sagen, dass er einen glänzenden Eindruck auf mich gemacht hat. Als er nach dem Konzert, das wir im Stadion von Los Angeles gegeben hatten, zu uns kam, um uns zu begrüßen, hatte ich vom ersten bis zum letzten Augenblick den Eindruck, dass ich es mit einem gebildeten, liebenswürdigen und kultivierten Mann zu tun hatte. Er gehört zu den Menschen, die jederzeit wissen, was sie
fragen müssen, und die Kunst beherrschen, ein Gespräch mit jemandem, den sie gerade erst kennengelernt haben, auf freundliche Weise in Gang zu halten.
Zu den Amerikanern, die mir am meisten gefallen haben, gehört übrigens Walter Matthau, dem ich 1994 im Zusammenhang mit einem der Konzerte der Drei Tenöre in Los Angeles begegnet bin und der schon immer einer meiner Lieblingsschauspieler war. Ich hatte ihn in dem Film Hotelgeflüster , vor allem
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