Auschwitz - Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde
Schauspielhaus Breslau mit dem Lustspiel
Die drei Eisbären
angekündigt. Organisiert hat den Abend der Breslauer Generalintendant und SS -Hauptsturmführer Hans Schlenck. Zur Ausstattung heißt es: »Bühnenbild: Nach Ideen Lothar Baumgartens hergestellt in den Werkstätten der Waffen- SS Auschwitz.« Schlenck wird Ende 1944 im Kriegseinsatz in Ungarn sterben, Baumgarten ab 1976 das Fritz Rémond Theater im Frankfurter Zoo leiten. In Auschwitz sind die Häftlinge bis dahin »abgespritzt« oder in zwei umgebauten Bauernhäusern vergast worden. Am 4 . April 1943 ist das vorletzte der neuen großen Krematorien fertiggestellt.
Am folgenden Tag spielen die Städtischen Bühnen Kattowitz den Schwank
Gitta hat einen Vogel
. Kattowitz liegt nur 30 Kilometer von Auschwitz entfernt. Die Städtischen Bühnen halten Karten zum halben Preis für das KZ -Personal vor. Intendant ist der Dirigent und SA -Oberführer Dr. phil. Otto Wartisch, der dem Judenhetzer Julius Streicher seine Komposition
Deutsche Rhapsodie
widmete. Die Städtischen Bühnen Kattowitz gastieren regelmäßig in Auschwitz. Am 21 . Mai 1943 sind Mitglieder des Opernhauses mit Stücken von Haydn, Mozart, Schubert, Dvořák und Boccherini angesagt. Das Motto:
Stunde heiterer Musik
. Die Zweite Violine zur heiteren Stunde in Auschwitz ist mit Fred Malige besetzt, einem Mann mit einer besonderen Karriere: 1923 KPD -Aktivist und Leiter einer roten Blaskapelle, 1940 Kapellmeister in Kattowitz, 1952 Komponist einer
Lenin-Kantate
und 1959 von
Präludium und Fuge über
FDGB
( DDR -Einheitsgewerkschaft). Am 17 . Juni 1943 gastiert das Opernhaus Kattowitz mit einem
Großen bunten Abend
. Mit dabei ist der Buffo und Spielleiter der Kattowitzer Operette Willy Popp, nach 1945 als Operettenregisseur in Graz. Organisiert hat den Abend Operettenoberspielleiter Karl Hans Jaeger (er wird 1955 Charakterkomiker und Oberspielleiter der Städtischen Bühnen Bremerhaven). Tenor des Bunten Abends ist Paul Schmidtmann, Oberspielleiter des Opernhauses Kattowitz. Er wird 1949 am Berliner Hebbel-Theater zu Brechts Schuloper
Der Jasager
die Regie führen.
Das »Kulturleben« in Auschwitz erreicht November 1943 noch einmal einen Höhepunkt. Am 23 . November gastiert des Stadttheater Mährisch-Ostrau mit Max Halbes Schauspiel
Der Strom
, am 26 . November das Opernhaus Kattowitz mit Walter Kollos Operette
Die Frau ohne Kuß
und am 29 . November steht
Beschwingte Musik
des Städtischen Symphonieorchesters Kattowitz an. Die Weihnachtsfeier des KZ -Personals findet zweigeteilt statt: »Zur künstlerischen Ausgestaltung des heiteren Teiles«, so die Kommandantur, stehen am 11 . Dezember Solisten des Oberschlesischen Landestheaters Beuthen und am 18 . Dezember des Opernhauses Kattowitz zur Weihnachtsfeier bereit.
1944 sind in Auschwitz zahlreiche Künstler angesagt: Im Januar Robert Gaden und sein Orchester. Im Februar das Raimonda-Ballett der Berliner Skala und das Städtische Symphonieorchester Kattowitz mit
Musikalische Köstlichkeiten aus Oper und Operette
. Im März folgt ein
Großer bunter Abend
mit Staatsschauspieler Johannes Riemann, bekannt aus dem Film
Bel ami
(Riemann, häufiger Gast bei Hitler-Empfängen, sieht man nach 1945 in Streifen wie
Zwei Bayern im Harem
). Im April kommt das Opernhaus Breslau mit einem
Großen bunten Abend
, und das Stadttheater Mährisch-Ostrau gibt die Operette
Paganini
von Franz Lehár (Lehárs Librettist Fritz Löhner-Beda war im Oktober 1942 in Auschwitz ermordet worden).
Ab Mai 1944 werden aus Ungarn insgesamt 437 000 Juden antransportiert. Parallel läuft das Kulturprogramm: Am 16 . Mai 1944 gastiert das Landestheater Beuthen mit Gerhart Hauptmanns Komödie
Der Bieberpelz
. Am 23 . Mai, an diesem Tag werden Transporte aus Italien, Ungarn und Drancy in die Gaskammern selektiert, steht ein
Wiener Abend
an, »mit Künstlern der Staatsoper, des Burgtheaters, des deutschen Volkstheaters Wien, des Zentraltheaters Dresden und des Opernhauses Breslau.« Am 7 . Juni amüsiert das Beuthener Theater das KZ -Personal mit dem Lustspiel
Heimliche Brautfahrt
. Organisiert hat den Abend Intendant Heinz Huber, nach dem Krieg Intendant des Pfalztheaters Kaiserslautern. Am 23 . Juni 1944 steht die Auschwitz-Premiere eines Hauses an, das erst Februar 1944 als
Großdeutschlands jüngste Bühne
eröffnet wurde: das Oberschlesische Schauspiel-Theater der Stadt Gleiwitz. Intendant ist Curth Hurrle, nach 1945 Staatsintendant der Bayerischen Staatsoperette
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