Auschwitz
Slowakei inhaftiert gewesen. Im Oktober 1942 wurden die Deportationen von Juden aus der Slowakei eingestellt, zum Teil aufgrund des Drucks innerhalb der slowakischen Regierung und zum anderen, weil man eine Anzahl slowakischer Juden als Zwangsarbeiter im eigenen Land einsetzte, statt sie an die Nationalsozialisten auszuliefern. Walter stammte aus einer relativ wohlhabenden Familie: Sein Vater besaß in Topolcany ein Restaurant und ein kleines Taxiunternehmen, und bis 1939 hatte die Familie mit ihren Nachbarn in Frieden zusammengelebt. Jetzt, nach dem Ende des Kriegs, wollten sie ihr altes Leben wiederaufnehmen.
Sie gehörten einer kleiner Minderheit an: Von 3200 Juden, die vor dem Krieg in der Stadt gewohnt hatten, kehrten nur etwa 10 Prozent zurück. Bei ihrer Rückkehr erwartete sie etwas, womit sie nicht gerechnet hatten: Haß. In ihrer Wohnung wohnte inzwischen ein neuer Mieter, der sich weigerte ausziehen. Auch ihr Restaurant hatte einen neuen Besitzer, der ihnen mitteilte, daß unter der sowjetischen Besatzung das Unternehmen »verstaatlicht« worden sei, und da er die Miete bezahle, sei er nun der rechtmäßige Betreiber.
Die Familie Fried sah nur noch eine Möglichkeit: Walters Vater hatte gute Freunde, eine christliche Familie, vor ihrer Deportation gebeten, ihr Gold, ihren Schmuck und ihr Geld zu verstecken. Jetzt wollten sie ihr Eigentum zurückhaben. Sie trafen ihre Freunde zum Mittagessen. Zunächst drehte sich das Gespräch nur um Belanglosigkeiten. Schließlich sprach Walters Vater das Thema an, das allen durch den Kopf ging: »Wir haben ein kleines Päckchen bei euch gelassen, und ihr wißt genau, was es enthielt: Gold, Diamanten und Geld.« Aber ihre Freunde hatten etwas anderes in Erinnerung, behaupteten, die Frieds hätten nur ein paar Kleider bei ihnen gelassen, die sie ihnen gern zurückgeben würden. »Wir haben euch Gold und Diamanten gegeben!« rief Walters Vater verzweifelt. Aber es nützte nichts; sie bekamen ihre Wertgegenstände nicht wieder.
Die Frieds schmerzte nicht nur der offensichtliche Betrug, sondern vor allem der Verrat durch ihre Freunde. »Wir verloren unsere letzte Hoffnung«, sagt Walter Fried, »daß die guten Christen, die Juden freundlich gesinnt waren, die von den Juden unterstützt wurden – die in unserem Restaurant etwas zu essen bekamen, auch wenn sie kein Geld hatten –, daß die uns wenigstens helfen würden. Sie wollten nicht, daß wir zurückkommen, damit sie nicht ihre Rechnung begleichen und uns ins Gesicht sagen mußten: ›Wir schulden euch nichts.‹ Unsere besten Freunde wurden unsere schlimmsten Feinde. 1945 war die Situation bedrohlicher als bei unserer Deportation 1942. Soviel Haß gab es.«
Der Haß gegen sie wurde eines Abends im Sommer 1945 zur körperlichen Bedrohung. Walter und sein Vater gingen eine Straße in Topolcany entlang, als sie auf eine Gruppe von etwa 30 jungen Leuten trafen. Einer von ihnen war ein ehemaliger Schulfreund von Walter namens Josho. Joshos Verhalten war jedoch alles andere als freundschaftlich. Die Gruppe kam auf Walter und seinen Vater zugestürmt und begann auf sie einzudreschen: »Juden! Ihr seid Juden!« rief Josho, während er sie schlug. Als Walter verletzt auf dem Boden lag, erinnerte er sich daran, wie er vor dem Krieg mit Josho sein Pausenbrot geteilt hatte. Er sagte zu ihm: »Reicht es nicht, daß du mein Brot gegessen hast? Jetzt kommst du und schlägst mich zusammen! Warum?« Aber Josho erwiderte nur: »Jude! Du bist ein Jude!«
Andere aus der Horde brüllten: »Juden! An euren Händen klebt das Blut von Christen!« Sie schlugen nicht nur mit Fäusten, sondern auch mit Stöcken auf Walter und seinen Vater ein, bis beide schwer verletzt waren. Der Angriff geschah mitten auf einer der belebtesten Straßen der Stadt, und Walter mußte erleben, daß ihnen niemand zu Hilfe eilte, obwohl einige der Passanten sie kannten. »Ich hatte geglaubt, viele Bekannte zu haben«, erzählt Walter, »aber plötzlich kannte uns niemand mehr.« Dann zerrten die Jugendlichen sie zur nächsten Polizeiwache und ließen sie dort auf der Treppe liegen. »Die Polizei war auch nicht besser«, sagt Walter. »Statt sie davonzujagen oder festzunehmen, ließen sie sie einfach laufen. Dann verprügelten sie uns.« Walter wußte, daß er nicht länger in der Slowakei bleiben konnte, und nahm die erste Gelegenheit war, nach Israel zu emigrieren, wo er noch heute lebt.
Es gab auch Berichte über Pogrome an Juden in Polen, und niemand weiß,
Weitere Kostenlose Bücher