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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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müßten spezielle Sterne auf die Insel geschickt werden, die in der Mitte das Wort »Jew« trugen. Anscheinend trafen diese Sterne nie ein. Unter der verhängten Ausgangssperre war es den wenigen Juden auf den Inseln nicht mehr möglich, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nachdem Nathan Davidson sein Geschäft geschlossen hatte, brach er unter der Last der Verfolgungsmaßnahmen zusammen. Im Februar 1943 wurde er von einer psychiatrischen Klinik auf Jersey aufgenommen und starb ein Jahr später. Ein weiterer Jude auf Jersey, Victor Emmanuel, beging Selbstmord.
    Die Vorbereitungen zur endgültigen Vernichtung der Juden auf den Kanalinseln begannen jedoch auf Guernsey. Drei Frauen – Auguste Spitz, Marianne Grunfeld und Therese Steiner – wurden im April 1942 von der Insel abgeholt. Alle drei waren Ausländerinnen; Spitz und Steiner kamen aus Österreich, Grunfeld war Polin. Alle drei kannten den Judenhaß der Nationalsozialisten nur zu gut. Therese Steiner hatte ihr Geburtsland Österreich verlassen, als der dortige Antisemitismus immer mehr zunahm. Schließlich hatte sie eine Stelle als Kindermädchen gefunden und hatte eine Stellung bei einem englischen Ehepaar, das 1939 auf die Insel gekommen war. Im Frühjahr 1940 gingen sie nach England zurück, doch die Behörden der Insel erlaubten ihr die Ausreise nicht, und aufgrund der Bestimmungen des britischen Innenministeriums wurde sie als »Ausländerin« interniert. So fiel sie schließlich gerade denen in die Hände, vor denen sie im Vereinigten Königreich Zuflucht gesucht hatte. Es gelang ihr, eine Stelle als Krankenschwester in einem Krankenhaus auf Guernsey zu finden, wo sie die Bekanntschaft von Barbara Newman machte, die in einem Interview über sie sagte: »Sie sah sehr gut aus und hatte sehr hübsches langes, lockiges Haar und eine jüdische Nase – das war das einzige. Sie sprach sehr schnell, natürlich mit einem Akzent. Sie war ein wenig rechthaberisch, was den Umgang mit ihr etwas schwierig machte. Aber wir kamen wirklich gut miteinander aus.« 22 Und Barbara Newman äußerte sich eindeutig zu Therese Steiners Meinung über die Nationalsozialisten: »Ich hatte den Eindruck, daß sie sie anspucken würde, wenn sie ihnen begegnet wäre.«
    Im Frühjahr 1942 befahlen die deutschen Militärbehörden der Regierung auf Guernsey die Auslieferung der drei ausländischen Jüdinnen zur Deportation. Wachtmeister Ernest Plevin von der Polizei auf Guernsey erinnert sich noch daran, wie er Therese Steiner anwies, ihren Koffer zu packen und sich bei den Deutschen zu melden: »Ich kann mich noch gut erinnern, wie Therese in das Büro kam, wo ich ihr die Anweisungen der deutschen Militärbehörden an die Polizei von Guernsey vorlas. Therese wurde tieftraurig, fing an zu weinen und rief aus, ich würde sie nie wiedersehen.« 23
    Barbara Newman begleitete Therese auf ihrem letzten Gang auf Guernsey am Dienstag, dem 21. April 1942, nach Saint Peter Port: »Ich sehe noch das Bild vor mir – ich glaube, wir haben ihren Koffer auf den Gepäckträger eines Fahrrads gestellt und das Rad geschoben. Und wir standen da, sagten uns adieu, und ich sah sie durch die Sperre gehen, von wo sie mir noch einmal zuwinkte … Wir konnten überhaupt nichts daran machen. Man konnte sich auch nicht zuviel damit herumquälen, weil man sonst nicht mehr zurande kam. Man mußte einfach Befehle befolgen und sich daran gewöhnen. Und ich habe mir immer wieder gesagt: ›Wie sollen wir alle nur zurechtkommen, wenn der Krieg beendet ist? Es wird niemand dasein, der uns sagt, was wir tun sollen.‹« Der Gedanke, daß Therese Guernsey verließ, um ihrem gewaltsamen Tod entgegenzugehen, überstieg Barbara Newmans Vorstellungsvermögen: »Das alles hatten wir doch überhaupt noch nie erlebt, oder? So etwas gibt es in England einfach nicht.«
    Auguste Spitz, Marianne Grunfeld und Therese Steiner lieferten sich alle drei den Deutschen in Saint Peter Port aus und wurden in einem Boot auf das französische Festland gebracht. Dort mußten sie sich als Jüdinnen registrieren lassen, und Therese Steiner fand vorübergehend eine Stellung als Kindermädchen. Im Juli wurden sie alle von der Polizei ergriffen und im Rahmen der Massendeportationen ausländischer Juden am 20. Juli nach Auschwitz verbracht, wo sie drei Tage später eintrafen. Wir wissen nichts Genaueres darüber, ob eine von ihnen die erste Selektion an der Rampe überlebt hat. Was wir dagegen mit Bestimmtheit wissen, ist, daß bei Kriegsende

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