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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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Schwerarbeit, aber du bist wenigstens nicht draußen in der Frostkälte. Du hast ein Dach über dem Kopf.‹ Ich fühlte mich wie im siebten Himmel.« Piechowski stellte zudem fest, daß das Arbeiten im »Himmel« des Magazins noch einen besonderen Vorteil hatte: »Meine Kameraden sagten mir, wenn wir einen Wagen mit Mehl beladen müßten, sollte ich den Sack beschädigen, so daß das Mehl auslief. Die Wache würde uns dann befehlen, ihn auf den Müll zu werfen. Aber das haben wir nicht gemacht. Wir haben das Mehl mit Wasser verrührt und Ravioli daraus gemacht.« Nach dieser glücklichen Wendung schöpfte Piechowski neue Hoffnung, doch noch »überleben zu können«.
    Eines Tages, kurz nachdem er der Kolonne für das Magazin zugeteilt worden war, hatte er ein Gespräch mit einem ukrainischen Häftling namens Eugeniusz (Genek) Bendera, der in der nahe gelegenen SS-Werkstatt als Mechaniker arbeitete. »Er ging morgens gemeinsam mit uns zur Arbeit und abends wieder zurück, und eines Tages vertraute er mir an, er habe erfahren, daß er auf der Todesliste stehe – es gab immer wieder Selektionen. Er sagte zu mir: ›Kazik, was soll ich tun? Ich stehe auf der Todesliste!‹ Ich sagte ihm: ›Da kann ich gar nichts machen.‹ Aber er ließ nicht locker und sagte: ›Kazik, warum versuchen wir nicht, von hier wegzukommen?‹ Für mich war das ein Schock – wie sollten wir das schaffen? Und er sagte: ›Na, mit einem Wagen. Ich kann jederzeit an einen Wagen kommen.‹ Und ich begann darüber nachzudenken, ob es eine Möglichkeit gab. Und ich sagte Genek, wir bräuchten auch ein paar Uniformen – SS-Uniformen.«
    An diesem Punkt kamen die Gedanken an eine Flucht nicht weiter. Wie sollten sie jemals an SS-Uniformen herankommen? Doch wieder stand ihnen das Glück zur Seite. Piechowski erhielt von seinem Kapo den Auftrag, in den zweiten Stock des Magazins zu gehen, in dem sie arbeiteten, um ein paar leere Kartons zu holen. Während er oben einen Gang entlangging, sah er auf einer der Türen die deutsche Aufschrift »Uniformen«. Er drückte vorsichtig die Klinke herunter, aber die Tür war verschlossen. Doch an einem der folgenden Tage wurde er von seinem Kapo wieder nach oben geschickt, und diesmal stand die Tür einen Spalt weit offen. »Da hatte ich nur noch den einzigen Gedanken«, sagt Piechowski, »reinzugehen und zu sehen, was passieren würde. Ich öffnete also die Tür ganz, und im Zimmer stand ein SS-Mann, der gerade etwas in einem Regal verstaute und sofort auf mich losging und nach mir trat. Ich stürzte zu Boden. ›Du Schwein!‹ sagte er. ›Du polnisches Schwein, du Hund, was hast du hier zu suchen? Du meldest dich sofort im Hauptbüro, du polnisches Schwein!‹ Und ich machte mich schleunigst davon.«
    Doch Piechowski wußte, daß es für ihn die Zuteilung zum Strafkommando und den sicheren Tod bedeuten würde, wenn er meldete, daß er das Zimmer betreten hatte. Also unternahm er nichts und hoffte das Beste, und das Beste trat tatsächlich ein. Er entging jeglicher Bestrafung, weil der SS-Mann, den er aufgestört hatte, den Zwischenfall nicht weiterverfolgte – eine weitere glückliche Wendung in einer Serie glücklicher Zufälle. Er hatte gesetzt und gewonnen, da er zudem erspähen konnte, was sich eigentlich in dem Zimmer befand: Uniformen, Handgranaten, Munition, Stahlhelme, eigentlich alles, was er und sein Kamerad für die Flucht benötigten.
    Der beste Tag für ein Fluchtunternehmen war ein Samstag, da die SS an Wochenenden in diesem Bereich des Lagers nicht arbeitete. Und Piechowski dachte sich eine Möglichkeit aus, sich einen Zugang zum Magazin zu verschaffen, indem er eine Schraube an einer Bodenklappe entfernte, hinter der sich eine Luke zum Kohlenkeller befand. Vom Kohlenkeller aus gelangte man in das übrige Gebäude. Jetzt war Piechowski entschlossen, den Ausbruch zu versuchen, bis ihn in seiner Schlafkoje ein »Donnerschlag« traf. Ihm kam urplötzlich zu Bewußtsein, daß »für jeden Flüchtling zehn Häftlinge getötet werden. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen – dieser Gedanke quälte mich«, sagt er, »bis mir im Bruchteil einer Sekunde die Lösung einfiel. Es gab eine Möglichkeit: Ein fiktives Arbeitskommando.« Piechowskis Plan sah vor, daß vier von ihnen das Hauptlager als ein vorgebliches »Rollwagenkommando« verließen und einen Wagen schoben. Danach würden sie sich aus der inneren Sicherheitszone offiziell abmelden und sich in der äußeren Sicherheitszone befinden, in

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