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Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Titel: Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Scheffler
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»Stopp« sagt.
    Der Frau fällt die Kinnlade herunter. »Seit wann trinkst du Schnaps? Und dann noch vor dem Kind!«
    »Das ist kein Schnaps«, sagt Frank, »das ist für den Magen.«
    »Papa stirbt«, jammert das Kind und fängt an zu heulen.
    Sabine hat inzwischen ihr Steak au four bekommen, ich meinen Hirschbraten. »Daran sind nur Sie schuld«, giftet mich die Schlange vom Nebentisch an.
    »Sie hätten halt nicht Arschloch sagen sollen«, sage ich ruhig.
    »Arschloch!«, schreit das Kind.
    »Mia-Sophie«, sagt Frank, »so was sagt man nicht.«
    »Aber Mama hat doch auch …«
    »Mama redet manchmal Scheiße.«
    »Scheiße!«, schreit das Kind.
    Der Wirt bringt uns noch einen Kuemmerling. Wir prosten uns zu und trinken. Bevor die Frau etwas sagen kann, hebt Frank drohend den Finger. »Sag einfach nichts. Olle Schrapnelle.«
    »Was ist eine Schrapnelle?«, will das Kind wissen.
    »Schrapnelle ist der zweite Vorname von Mama.«
    »Schrapnelle, Schrapnelle.«
    »Halt die Backen!«, sagt die Frau mit erhobener Stimme.
    Mia-Sophie fängt wieder an zu heulen. In der nächsten Viertelstunde spielt sich ein geflüstertes Streitgespräch am Nebentisch ab, einzig unterbrochen von einer weiteren Schnapslieferung. Sabine und ich können in Ruhe aufessen, denn das Kind wird langsam still und hört aufmerksam dem Beziehungsgespräch zu.
    Wenig später stehe ich auf dem Bürgersteig und rauche, da kommt Frank dazu, reicht mir ein Fläschchen und bittet mich um eine Zigarette.
    »Wir hatten ein klärendes Gespräch«, sagt er, »das war mal nötig.«
    »Das glaube ich auch«, sage ich.
    Er reicht mir die Hand. »Wir haben uns ein Taxi bestellt; müsste gleich kommen.«
    »Eins?«
    »Ja klar, ist ja jetzt alles geklärt.«
    »Na dann, alles Gute.«
    Die Frau und das Kind kommen aus dem Lokal, und da fährt auch schon das Taxi vor.
    Mia-Sophie hüpft auf dem Gehsteig herum und singt vor sich hin: »Fotze, Wichser, Arschloch, Schrapnelle. Fotze, Wichser, Arschloch, Schrapnelle …« Die Kleine wird morgen in der Kita ordentlich auftrumpfen.

Alle, löschen, go
    Alle, löschen, go. Alle, löschen, go. So geht das jetzt schon seit gut einer Viertelstunde. Noch 2714 Mails. Alle, löschen, go. Das kommt davon, wenn man etwa sechs Monate lang seinen Spamverdachtordner nicht geleert hat. Man kann immer nur zehn Nachrichten auf einmal löschen bei gmx (dachte ich damals). Eine stupidere Arbeit gibt es nicht.
    Alle, löschen, go. Es klingelt. Na, das wär doch was, wenn Herr Osterheld aus dem Seitenflügel endlich sein Paket abholen würde, das sehr große, aber auch sehr leichte Paket aus der Schweiz, bei dem man durch Rütteln nicht herauskriegen kann, was drin ist, dieses Paket, das jetzt schon seit drei Wochen bei uns im Flur steht. Wir wohnen im Vorderhaus, erstes Obergeschoss, ich bin quasi immer zu Hause, und somit ist unsere Wohnung Paketstation für alle Nachbarn. Ich glaube, dass manche Boten bei Nachbarn, die höher als drei Treppen wohnen, gar nicht erst klingeln. Schließlich gibt es Schefflers. Die sind immer zur Stelle und haben eh nichts zu tun. Manchmal bekommen wir für diesen Service eine Flasche Wein, selbst gemachte Marmelade oder eine Wurst. Nicht vom Paketboten, was korrekt wäre, sondern von den Nachbarn. Es klingelt noch mal. Ich stürze auf den Flur und falle beinahe über ein sehr kleines, dafür aber überaus schweres Paket aus Gummersbach für Frau Seidler aus dem Hinterhaus. Mein linker großer Zeh tut höllisch weh, ich beiße die Zähne zusammen und öffne die Tür. Im Treppenhaus stehen drei Zwerge in abwegigen Verkleidungen und stammeln: »Was Süßes oder was Saures.« Das hatte ich ganz vergessen. Noch am Nachmittag hatte bei Schlecker an der Kasse vor mir ein ziemlich angesoffener und auskunftsfreudiger Herr gestanden, der jede Menge Süßkram und nicht weniger Flaschen Wein gekauft hat. Die Süßigkeiten, »weil ja heute Halloween ist«, und den Wein, weil: »Meine Frau ist Alkoholikerin, und da muss immer was im Haus sein.« Ich hatte mir das mit seiner trunksüchtigen Frau gemerkt und Halloween verdrängt. Jetzt stehe ich vor drei kleinen Menschen, die als Vampire verkleidet sind und die mir zu verstehen geben wollen, wenn sie nicht etwas Süßes von mir bekämen, hätte ich etwas Saures zu erwarten. Ich finde Kinder, die schnorren, obwohl sie es nicht nötig haben, zum Kotzen. Außerdem habe ich nichts Süßes. Das gehört alles Sabine. Ich hab noch ein Päckchen kratziger ukrainischer L&

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