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Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Titel: Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Scheffler
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anderer Kulturkreis und wohl auch eine andere Mentalität, wenn also der Asiat kichert, ob er dann auch irgendetwas lustig findet oder ob das womöglich heißt, dass er über irgendetwas zu meckern hat. Man sagt doch: Der Japaner lächelt, aber zack! hat man ein Messer im Rücken. Ich weiß es nicht, aber ich glaube, die beiden waren ganz fröhlich. Warum auch immer. Ich war am Potsdamer Platz noch nie fröhlich. Wie kann man an diesem Mist-Platz fröhlich sein! Hier hätten die gescheiterten Existenzen aussteigen sollen. Dann wären sie unter ihresgleichen gewesen. Egal welche Klamotten und welches Einkommen.
    Yorckstraße. Jede Menge Osmanen. Nur Männer. Laut. Warum? Keiner ist fröhlich. Jedenfalls sieht man es nicht. Ich summe einen Schlager von Billy Mo aus meinem Geburtsjahr 1966 vor mich hin: »Da sprach der Scheich zum Emir / Erst zahl’n wir und dann geh’n wir / Der Emir sprach zum Scheich: / Zahl’n wir später, geh’n wir gleich.« Niemand erkennt den Titel. Ist vielleicht auch besser so. Am Ausgang sitzt ein alter, graubärtiger Mann und bettelt. Sieht nicht gut aus. Ich gebe ihm Geld. Ein Mann mit Hut im langen Mantel sagt: »Für die nächste Flasche oder für die Beerdigung?« Ich bin an sich friedfertig, aber jetzt würde ich ihm gern eins in die Fresse geben. Aber feige bin ich auch und sage nur »Arschloch«.
    Treffen mit Kollegen im Restaurant. Jetzt schön essen. Den einen und anderen Averna. Und auf dem Rückweg dann ein Taxi, solange ich noch keinen Telebus brauche. Oder jemanden, der mir einen Euro zusteckt.

Scheiße im Gesicht
    Für den Abend bin ich zu einer Art Poetry-Slam eingeladen worden. Ich schlage im Langenscheidts noch mal nach, was »Slam« überhaupt bedeutet. Da steht »Zuschlagen« und »Knall«. Na, das kann ja was werden. Ein Knall mit Literatur. Und das soll auch noch in Charlottenburg stattfinden. Freunde von mir haben da schon mal mitgemacht und empfohlen, dass da Geschichten über Saufen und Ficken besonders goutiert werden. Gut, Texte übers Saufen habe ich jede Menge, auch der Geschlechtsverkehr wird gelegentlich thematisiert, aber es kommt meistens nicht dazu. Eigentlich kann ich Wettstreite auch nicht leiden. Leistung öffentlich zeigen ist mir zuwider. Das war schon früher bei den Bundesjugendspielen so. Ich hab mich gern mit dem bronzenen oder silbernen Sportabzeichen zufriedengegeben. Ich hab nie was dagegen gehabt, Zweiter zu sein. Warum soll ich schnell rennen können? Schnell rennen muss man nur, um vor jemandem wegzulaufen. Muss ich nicht. Meine Siegerurkunden, Ehrenurkunden und Anstecknadeln hat meine Mutter irgendwo in einer Schublade zusammen mit meinen Schulzeugnissen von der ersten bis zur dreizehnten Klasse aufbewahrt. Kann sie gern behalten.
    Nun gut, am Abend ist also so’n blöder Slam. Aber davon lasse ich mir meine schlechte Laune nicht vermiesen. Im Gegenteil: Ich beschließe, gute Laune herbeizuführen. Also gehe ich zum Kaiser’ s um die Ecke, kaufe Bier für mich und frisches Hackfleisch für die Katzen; und an der Kasse flirte ich mit meiner Lieblingskassiererin, die mir daraufhin jede Menge Treueherzen zusteckt. Wie in meinen Texten kommt es zum Geschlechtsverkehr meistens nicht. Genaugenommen nie. Das kann meine inzwischen gute Laune nicht schmälern, denn – gehen wir doch mal ganz tief mit uns zurate – Sex ist auch nicht alles.
    Zu Hause mache ich mir ein Bier auf und schleime mich mit dem Hack bei den Katzen ein. Bald wird es Abend. Ich suche einige Sauftexte heraus und mache mich auf den Weg zur U-Bahn.
    Normalerweise, wenn ich Straßen entlanggehe, halte ich den Blick gesenkt und schaue ernst wie die meisten Berliner, die schlechte Erfahrungen mit Hundehaufen gemacht haben. Heute aber, das nehme ich mir vor, gucke ich mir meine Umgebung fröhlich an. Lächeln! Etwas Positives ausstrahlen! Nicht immer mit heruntergezogenen Mundwinkeln herumlaufen! Sonst vermerkelt man noch. Ich gehe erhobenen Hauptes den Weg zur Bahn und lächle jeden Menschen, der mir entgegenkommt, freundlich an, auch auf die Gefahr hin, für einen Idioten gehalten zu werden. Gerade in Berlin ist es gefährlich, in der Öffentlichkeit fröhlich zu sein, aber dieses Risiko gehe ich ein. Die meisten Leute, die mir entgegenkommen, sehen kurz auf und gehen dann schnell weiter. Einzelne lächeln zurück. Das reicht mir schon. Das war schon früher so. Wenn ich morgens mit der U-Bahn zur Uni fuhr und auf dem Sitz gegenüber eine Frau aufsah und wir uns anlächelten

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