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Ausersehen

Ausersehen

Titel: Ausersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. C. Cast
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Schüler diese Geschichte zu lehren – jedes Jahr ließ ich sie Gaston Leroux’ Original lesen, danach las ich ihnen aus der romantischen Nacherzählung von Susan Kay aus dem Jahr 1990 vor, und schließlich hörten wir uns dann gemeinsam Andrew Lloyd Webbers zauberhaftes Musical an. Jedes Mal, wenn die letzte Szene zu Ende war, sah ich eine Menge feuchte Augen in meinem Klassenzimmer.
    Für meine Zentauren vermischte ich das Beste aus allen drei Versionen und schuf eine Sage, die sie fesselte. Schließlich kam ich zum Schluss: „Und als er Christine endlich für sich allein hatte, unten in seinem Gewölbe unter dem Tempel, wusste er, dass es nur eine Chance gab, dass sie ihn liebte – und dass diese eine Chance darin bestand, dass seine Musik ihr Herz so sehr bewegte, dass sie den grauenhaften Anblick seines Gesichts vergaß. Also betörte er sie mit seinen Worten und sang zu ihr von der Musik der Nacht.“
    „Was hat Christine gewählt?“, fragte mein Mann mit belegter Stimme.
    Die Welt schien geschrumpft zu sein, sodass es nur noch uns beide gab. Ich lächelte, während mir Tränen über die Wangen liefen, und erzählte eine dicke, fette Lüge: „Sie hat ihre Angst vor seiner Erscheinung überwunden und sich für die Schönheit seiner Seele entschieden – und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende.“
    Ein Jubelschrei erhob sich aus dem Publikum, gefolgt von lautem Klatschen und Stampfen. Inmitten all dessen zog ClanFintan mich in seine Arme und küsste mich lange und tief, was weitere Jubelrufe und Hufgetrampel hervorrief. Dann hob er mich hoch und trug mich unter anzüglichen Sprüchen der Anwesenden vom Lagerfeuer fort. Ich warf einen Blick zurück über seine Schulter und war überrascht und berührt, als ich sah, dass Sila sehnsüchtig lächelte und sich ihrer Tränen nicht schämte. Auch Victoria wischte sich die Augen und winkte mir nach.
    Die Geschichte war eindeutig ein Renner gewesen.
    „Und du hast gedacht, ich würde es nicht schaffen.“ Ich küsste meinen Mann auf seine muskulöse Schulter, dachte kurz nach und biss dann herzhaft hinein.
    „Du weißt, dass ich zurückbeißen kann.“ Er schaute mit gespieltem Ernst zu mir herunter.
    „Darauf hoffe ich.“ Ich küsste die Stelle, die ich gerade gebissen hatte.
    „Es ist nicht so, dass ich dachte, du wärest nicht in der Lage, sie zu unterhalten …“
    Er hielt inne. Ich schwieg ebenfalls und erlaubte ihm, mich weiter vom Feuerschein fortzutragen, bevor er weitersprach. Schließlich sagte er: „Ich wusste nur, dass du es nicht magst, für Rhiannon gehalten zu werden, und Geschichtenerzählen ist eine sehr …“
    „Eine sehr typische Rhiannon-Sache?“, bot ich an, als er schwieg.
    „Ja.“
    Er sah erleichtert aus, dass ich verstanden hatte, und ich erklärte: „Unser Leben überlappt sich.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Das kann ich nicht ändern. Alles, was ich tun kann, ist, mir das zu eigen zu machen, was typisch für sie war.“ Ich fragte mich kurz, was für ein Chaos sie wohl in meinem Leben anrichtete. Dann verdrängte ich den Gedanken. Das hier war mein Leben; ich hatte keinen Einfluss darauf, was sie in einer anderen Welt tat oder sein ließ. Wenn ich mir erlaubte, mir alle Möglichkeiten vorzustellen, zum Beispiel, wie sehr sie meine Freunde oder Familie verletzte, würde es mich wahnsinnig machen. Es gab kein Zurück, keinen Weg, alles wieder geradezurücken. Ich schaute zu meinem schönen Ehemann auf und gestand mir ein, dass ich diesen Weg, selbst wenn es ihn gäbe, nicht gehen würde. Ich wusste, dass das eine egoistische Entscheidung war, aber er war meine Liebe, und ich wollte mein Leben mit ihm verbringen. Ich schloss die Augen, lehnte den Kopf an seine Brust und wünschte mir aus tiefstem Herzen, dass Rhiannon von einem Bus überfahren wurde.

11. KAPITEL
    Du schläfst doch nicht, oder?“
    „Nein.“ Ich öffnete die Augen und schaute mich um.
    ClanFintan war Richtung Norden gegangen, und wir hatten uns ein ganzes Stück vom Lager entfernt. Ich hörte, wie er den Ruf einer Wache beantwortete und gerade lange genug stehen blieb, um den Salut des Zentauren entgegenzunehmen. Er wandte sich nach rechts, und bald umfing uns das Dunkel des Waldes. Der Mond war aufgegangen, und kleine Silberstreifen drangen durch das Laub der alten Bäume und versahen alles mit surrealistisch wirkendem Glanz.
    „Wohin gehen wir?“
    „Ich habe eine Überraschung für dich.“
    „Wirklich?“ Ich klopfte seine Weste auf der

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