Ausersehen
Schimmer der Morgendämmerung die Nacht vom Himmel verscheuchte.
„Guten Morgen, Lady Rhiannon.“ Silas fröhliche Stimme war wie ein Überfall.
„Morgen“, murmelte ich in mich hinein und rieb mir die Augen.
„Victoria hat ein Nest mit Rebhuhneiern gefunden; riecht das nicht unglaublich gut?“
Sie strahlte mich an, beugte sich hinunter und rührte in einer Eisenpfanne, die zwischen zwei Steinen eingeklemmt war, sodass sie über den glühenden Holzscheiten des Lagerfeuers hing.
„Ja, riecht super.“ Das tat es wirklich, aber die Schmerzen und die Steifheit in meinen langsam erwachenden Muskeln verdarben mir die Freude an den leckeren Gerüchen etwas. Ich hatte vergessen, wie schrecklich es ist, für längere Zeit auf dem Rücken eines Zentauren zu reisen. Jeder Muskel in meinem Körper schrie nach der Entspannung in meiner Heilquelle im Tempel und nach einer schönen Massage. Ich stand langsam auf und spürte jedes meiner über fünfunddreißig Jahre – multipliziert mit zehn. Mein Haar war ein Vogelnest – zumindest sah es so aus –, mein Rücken tat weh, und mein Atem roch bestimmt wie schmutzige Füße.
Ich hasste es wirklich zu campen.
Ich versuchte, Silas munteres Lächeln zu erwidern (großartig, noch ein Morgenmensch/-pferd, was weiß ich). „Ich geh mich nur kurz … frisch machen.“
„Wunderbar! Wenn Sie zurückkommen, müssten die Eier fertig sein.“
Wie konnte irgendjemand vor Sonnenaufgang nur so fröhlich sein? „Okay“, nuschelte ich und humpelte los in Richtung Flussufer. Auf dem Weg dorthin riefen mich Zentauren beim Namen und wünschten mir einen guten Morgen. Ich gab mein Bestes, höflich zu sein, vor allem, da so viele sich äußerst begeistert über die Phantom-des-Tempels-Geschichte äußerten, die ich in der vergangenen Nacht erzählt hatte. Ich fand einen annehmbaren Busch, schaffte es danach, an den Fluss hinunterzusteigen, wusch meine Hände und mein Gesicht, putzte mir die Zähne mit den Fingern und kletterte die Böschung wieder hinauf.
Ah, die wundervolle Welt des Campings – möge sie in der Hölle verrotten.
Als ich zurück ins Camp schlurfte, brutzelten in der Pfanne Rühreier mit aufgewärmtem Bambi vom Vorabend. ClanFintan, Dougal und zwei weitere junge Zentauren, die ich am Tag zuvor schon gesehen hatte, aßen bereits. Ich fragte mich, wo Victoria war, aber mein gesunder Menschenverstand sagte mir, dass Miss Jägerin bestimmt schon wieder unterwegs und auf der Suche nach etwas zum Töten war.
„Guten Morgen, Mylady.“
ClanFintan schenkte mir ein kleines Lächeln und reichte mir ein breites Blatt, auf dem heißes Ei und Fleisch hübsch arrangiert waren.
„Morgen.“ Ich erwiderte sein Lächeln, so gut es mir möglich war. Dann setzte ich mich auf den Baumstamm, balancierte das Blatt auf meinen Oberschenkeln und versuchte, mir Ei mit den Fingern in den Mund zu stecken, ohne sie mir dabei zu verbrennen. Mir fiel auf, dass meine Schlafstatt schon aufgeräumt und weggepackt worden war. Jeder schien es kaum erwarten zu können, endlich aufzubrechen.
„Werden wir den Tempel heute noch erreichen?“, wollte ich von ClanFintan zwischen zwei Bissen des erstaunlich leckeren Rühreis wissen.
„Ja, wir sollten kurz vor Einbruch der Nacht dort ankommen.“
„Dort weiß man, dass wir unterwegs sind, oder?“
„Wir haben Boten und Brieftauben geschickt. Unser Plan ist bekannt.“
„Gibt es Nachricht vom Gesundheitszustand der Damen?“
„Nein. Die Botschafter der Zentauren sind angewiesen worden, dortzubleiben und alles für unsere Ankunft vorzubereiten. Und durch die Brieftauben sind auch keine Nachrichten gekommen.“
„Geflügelte Ratten“, murmelte ich leise um ein Stück Ei à la Bambi herum.
ClanFintan schaute mich fragend an.
„Beachte mich einfach gar nicht – morgens bin ich immer etwas übellaunig.“ Ich schaute mich im immer noch finsteren Wald um. „Und besonders übellaunig bin ich vor dem Morgen.“
ClanFintan lachte. „Du musst nur in Bewegung kommen. Wenn wir erst einmal unterwegs sind, kannst du ja wieder schlafen.“ Er senkte seine Stimme und strich mir eine Locke aus dem Gesicht. „Wenn ich mich recht erinnere, fandest du es rittlings auf mir ganz bequem.“
Spielerisch schlug ich seine Hand weg und lächelte ihn an. „Ganz schön frech so früh am Tag.“
„Komm!“ Er hob mich hoch und setzte mich auf seinen breiten Rücken. „Du kannst auch unterwegs weiteressen.“
„Ja, ganz toll.“ Ich wischte seine dicke
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