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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Byron
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nachdenklichen Miene Platz. Mir stockte beinahe der Atem. Sah Daron in einem Moment noch charmant und gewissermaßen zauberhaft aus, so blickte ich nur Sekunden später auf eine ganz andere Facette seines Wesens. Schwermut spiegelte sich in seinen Augen, doch vermied er es, mich anzusehen, als er sprach. Unentschlossen drehte er erneut das Weinglas in seinen Händen, dessen Inhalt ihm auf einmal höchst interessant zu sein schien.
    „Absolut, mea culpa. Aline, es tut mir so leid. Ich wollte dich nicht erschrecken und habe dich unwissentlich doch in eine für dich untragbare Situation gebracht. Du hast recht, ich hätte einfach einen Tag warten und klingeln sollen, anstatt den geheimnisvollen Boten zu mimen und dann, wie du sagtest, mit Steinchen zu schmeißen. Das war dumm und unüberlegt. Ich dachte, und das klingt nun vor diesem Hintergrund fast wie Hohn, es würde dich erschrecken, wenn du mich nachts vor deiner Wohnung stehen sehen würdest. Dass es keine Rolle spielt, ob so oder so, das habe ich wirklich nicht bedacht. Bitte verzeih mir. Ich verspreche dir, dass ich dir nie wieder so einen Schrecken einjagen werde.“
    Bei diesen letzten Worten versuchte er ein unsicheres Lächeln und sah mich nervös an. Ich konnte nicht anders, mein Herz schmolz bei diesem Hundeblick dahin wie Schnee in der Frühlingssonne, und meine neu aufgekeimten Fragen verstummten im Angesicht seines schlechten Gewissens. Ehe ich nachdenken konnte, legte ich meine Hand auf seine, und das Rotweinglas hörte auf, sich zu drehen.
    „Ich verzeihe dir, Daron. Aber ich nehme dich beim Wort. Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein. Für eine Frau meines Alters sind solche nächtlichen Romeo-Aktionen nicht besonders förderlich, vor allem nicht, was meinen Schlaf betrifft. Du siehst ja, was passiert: Ich steige aufs Fahrrad und fahre morgens um halb drei in einen dunklen Park, um dort entgegen allen meinen Prinzipien Gespräche mit einem mir völlig unbekannten Mann zu führen.“
    Diese Bemerkung ließ ihn schmunzeln, und Erleichterung verdrängte die Schwermut in seinen Augen.
    „Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, dass du kommen würdest.“
    Behutsam nahm er mir mein Glas aus der Hand und stellte unsere zwei Kelche auf den Couchtisch. Dann nahm er meine Hände in seine und drückte ihnen einen dicken Kuss auf. Bei der Berührung seiner Lippen auf meiner bloßen Haut erschauerte ich. Wie konnte ich nur so angezogen werden von einem Mann, der derart mysteriös war und definitiv weit über meiner Liga spielte, der körperlich so imposant und innerlich zeitgleich so zerbrechlich wirkte, der mit mehr Fragezeichen in mein Leben getreten war, als er bisher hatte beseitigen können? Und doch war es so. Jede seiner Berührungen, jeder seiner Blicke ließ die Härchen auf meinen Armen Rumba tanzen und die Kolibris in meinem Magen flattern, ganz knapp davor, dass die Wildkatze erwachte und auf die Jagd ging. Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
    „Gibst du mir eine zweite Chance?“
    Etwas verblüfft von dieser Frage wusste ich nicht, was ich antworten sollte, und bevor ich mich versah, hatte mein Mundwerk wieder mal die Kontrolle übernommen, ehe ihm mein Hirn Einhalt gebieten konnte.
    „Ja, natürlich.“
    Sehr schön, Aline, gib dich nur als leichte Beute aus, mach es ihm richtig einfach, wirst schon sehen, was du davon hast. Wie sagte Mama immer? Willst was gelten, mach dich selten. Hatte mal wieder prima geklappt! Gedanklich verpasste ich mir eine saftige Abmahnung. Doch bevor ich mich weiter in meine innere Schimpftirade reinsteigern konnte, nahm Daron mein Gesicht in beide Hände und sagte: „Hallo, Aline, ich bin Daron. Schön, dich kennenzulernen.“
    Anschließend gab er mir einen Kuss, so leidenschaftlich und schwermütig, so innig und traurig, dass all meine Vorsätze und Bedenken, die ich soeben noch in Gedanken durchgegangen war, von einer Welle aus Verwirrung, Angst und Freude weggespült wurden. Ich ergab mich seinem Kuss, ergab mich diesen Lippen aus Samt und Seide, und schmeckte nichts weiter als Sehnsucht und Verlangen. Und tief, ganz tief in mir drin spürte ich, wie selbst der letzte Rest an Vorsicht in mir schwand und ein für mich schon lange verloren geglaubtes Gefühl zu neuem Leben erwachte.
    Konnte es etwa sein, dass ich selber gerade dabei war, mich in diesen bildschönen Mann, der die Stärke eines Bären und die Unsicherheit eines Rehs in sich vereinte, zu verlieben?

10
    Ich weiß nicht, wie lange wir uns

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