Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
Sowohl der Wein als auch der Mann.
„Sehr gut“, war das Einzige, was ich in dem Moment an sinnvoller Konversation zustande brachte.
„Ein Jacques Selot Cabernet Sauvignon von 1996, ein wirklich ausgezeichneter Jahrgang. Es freut mich, dass er dir schmeckt.“
Wow, ein vierzehn Jahre alter Wein, wunderte ich mich. Der Mann hat Stil. Und noch während ich überlegte, was ich unbeholfener Datingfrischling als Nächstes sagen sollte, ergriff Daron das Wort: „Aline, ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich habe mich nicht gerade wie ein Gentleman benommen, weder gestern noch gerade eben. Ich habe dich bedrängt, ohne darauf zu achten, dass ich damit vielleicht deine Grenzen überschreite. Gestern hattest du mich um Antworten gebeten, und das war dein gutes Recht. Soweit möglich, werde ich dir sagen, was du wissen möchtest, doch es gibt einiges, das ich dir nicht erzählen kann. Nicht jetzt. Das bitte ich dich als Einziges zu akzeptieren, und ich verspreche dir, dass du, wenn die Zeit dafür reif ist – sollte sie es jemals werden –, all das erfahren wirst, was du wissen möchtest.“
Seine Smaragdaugen schenkten mir einen dieser intensiven Blicke, die mir durch Mark und Bein gingen, dazu diese Ausdrucksweise, so gebildet und bedacht. Mein Interesse war aufs Neue geweckt.
„Also gut, ich nehme dich beim Wort“, erwiderte ich und beobachtete mit ein wenig Genugtuung, wie Daron leicht nervös das Weinglas in seinen großen, starken Händen zu drehen begann. „Vorgestern, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben, was hast du da im strömenden Regen unter dem Baum im Park gemacht? Du hast mich angesehen und gelacht, und auf einmal warst du weg. Dann höre ich in der Nacht auf einmal komische Geräusche vom Balkon und finde neben kleinen Steinchen einen Zweig mit einer Strähne deines Haares. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass es dein Haar war? Was sollte das alles? Ich meine, wie du soeben gesehen hast, ist es gar nicht so schwer, einfach zu klingeln und mit einem weitaus weniger kryptischen Geschenk durch eine Tür zu kommen.“
Langsam strich sich Daron mit einer Hand sein Haar aus dem Gesicht und klemmte es sich hinter sein rechtes Ohr, so wie ich es bereits vergangene Nacht bei ihm beobachtet hatte. „Es ist nicht so, als hätte ich nicht gewusst, dass du mir diese Fragen stellen würdest“, entgegnete er mir in einem, wie mir schien, sehr behutsamen Tonfall, genau darauf achtend, welche Worte er wählte. „Es ist nur nicht einfach für mich, ein Gespräch mit jemandem zu führen, der mir etwas bedeutet.“
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Hatte ich da gerade richtig gehört? Ich bedeutete ihm etwas? Mein Herz begann seine Pulsfrequenz schlagartig zu erhöhen, wodurch ich meine liebe Not hatte, mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen. Doch meine Bemühungen waren allem Anschein nach erfolgreich, denn Daron fuhr mit seinen Erklärungen ungehindert fort.
„Ich sagte dir ja schon, ich habe keine Übung im … Daten. Bitte sieh es mir nach, wenn ich mich stellenweise etwas unbeholfen anstelle. Du willst Antworten und du sollst sie bekommen.“ Er atmete tief ein.
„An dem Abend, als ich dich an der Haltestelle stehen sah, da genoss ich einfach nur die Stille des Augenblicks. Lauschte dem nächtlichen Regen, wie er auf das Blätterdach trommelte und sog den Duft des nassen Grases ein. Ich liebe diesen Platz. Er gibt mir Ruhe und hilft mir, mich auf das Wesentliche zu besinnen. Ruhe ist für mich ein sehr kostbares Gut, Aline, ich habe davon nicht gerade sehr viel.“
Das warf für mich jetzt doch mehr Fragen auf, als es mir Antworten schenkte. Daron musste mir das an der Nasenspitze angesehen habe, denn er fuhr fort: „Mein Alltag ist geprägt von schwierigen Schicksalen und Entscheidungen, wie bei vielen … Managern. Bevor du fragst – ich kann dir leider nicht sagen, was ich tue. Das ist einer dieser ‚Noch nicht‘-Punkte, du erinnerst dich?“
Ich nickte, weil ich ihn nicht unterbrechen wollte.
„Nur so viel kann ich dir anvertrauen – ich arbeite in einer Art Familienunternehmen, und die können einen rund um die Uhr beschäftigen.“
„Aber du tust doch nichts Illegales, oder?“, schoss es aus meinem Mund, und schon im nächsten Moment biss ich mir auf die Zunge. Konnte ich nicht erst nachdenken und dann Fragen stellen? Sollte er etwas Illegales tun, würde er es mir zum einen ganz sicher nicht verraten und zum anderen nun überlegen, wie er mich im Fall der
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