Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
Kleines“ hauchte er mir entgegen, und als ich meine Augen öffnete, blickten sie direkt in die seinen. So grün wie das Meer an einem stürmischen Tag, so frisch wie das Gras nach einem kurzen Schauer. Und ehe ich mich versah, löste Daron seinen rechten Arm vom Rücken und hielt mir eine Rose entgegen. Eine weiße Rose, an deren Rändern sich die Farbe Pink wie zufällig verteilte. Also, das war mal was anderes. Sämtliche Männer, die ich kannte, schenkten – wenn überhaupt – nur rote Roten. Eine weiße hatte ich noch nie bekommen.
„Oh … danke. Die ist ja wunderschön“, bedankte ich mich artig, wenn auch recht zittrig, was mich gleich darauf ärgerte. Ich wollte doch souverän wirken, und was war? Gott sei Dank brachte mich dieser Mangel an Selbstbeherrschung wieder ein klein wenig dem Boden näher und ließ die Achterbahn in meinem Bauch anhalten.
Während Daron die Tür schloss, stöckelte ich in meinen Pumps mehr wackelig als gekonnt gen Küche, den Wein rechts, die Rose links. Ich hatte leider keine passende Vase, doch eine leere alte Flasche, die als Zierde auf meinem kleinen Tresen stand, wurde kurzerhand einfach zweckentfremdet. Ich konnte nicht widerstehen und sog vorsichtig den Duft der Blume ein. Zart und lieblich offenbarte sie mir ihr Bouquet, während ihre weichen, gewellten Blütenblätter meine Nasenspitze kitzelten. Ich erschrak, als Daron von hinten seine Hände auf meine Hüften legte und mir leise ins Ohr flüsterte: „Die Sorte heißt Abigail. Ich wusste, sie würde dir gefallen.“
Seine Nähe brachte mich beinahe um den Verstand, und das war das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte. Ich wollte nicht, dass meine mühsam zurückgewonnene Selbstbeherrschung gleich wieder den Bach runter ging.
„Ja, sie gefällt mir sehr“, räusperte ich mich, drehte mich um und hielt ihm den Wein entgegen. „Bist du bitte so gut und öffnest die Flasche, während ich uns eine Kleinigkeit zu Naschen herrichte? Der Öffner ist in der Schublade direkt hinter dir.“ Dazu ein nettes Lächeln und – voilà! – schon konnte ich damit ein wenig Abstand zwischen Daron und mich bringen. Gut so, lobte ich mich insgeheim – das Ganze musste ja nicht sofort in einer moralischen Vollkatastrophe münden. Darons Grinsen war meiner Meinung nach ein wenig zu breit, als er sich erst seines Mantels entledigte und ihn dann über eine Stuhllehne legte. Als er sich umdrehte, erlaubte ich mir einen kurzen Blick auf sein imposantes Kreuz, das gleich einem V in seiner knackig sitzenden schwarzen Jeans endete und von einem glänzend schwarzen Seidenhemd verhüllt wurde. Gekonnt entkorkte er die Flasche und schenkte uns zwei Gläser ein, die ich bereitgestellt hatte. Noch schnell die Chips und Knabberstangen dekorativ in eine Schale gefüllt, und fertig war die Angelegenheit. Meine Mutter hätte sich bei diesem Anblick mit Grausen gewendet. Kind, hätte sie vorwurfsvoll gemahnt, wenn ein Mann zu Besuch kommt, muss etwas Warmes auf dem Tisch stehen, bei Männern geht Liebe durch den Magen. Ja, sicher, wenn ich wusste, wer der Mann war und welche Rolle er in meinem Leben zu spielen gedachte. Bei Daron, so verführerisch er wirkte, gab es mir einfach noch zu viele Ungereimtheiten, zu viele offene Fragen, als dass ich ihm mit einem raffinierten Coq au vin ein falsches Signal hätte senden wollen. Nicht, dass ich nicht schon genug davon geschickt gehabt hätte. Aber ich brauchte es ja auch nicht zu übertreiben. Ich nahm die Schüsseln mit den Kalorienbomben und stakste hinüber ins Wohnzimmer zu meinem Sofa, wo ich mir erlaubte, das kleine Teelicht auf dem Couchtisch anzuzünden. Ein bisschen Atmosphäre war erlaubt, nicht zu viel und nicht zu wenig. Daron folgte meinem Beispiel, setzte sich neben mich auf die Couch und reichte mir ein Glas. Sein linkes Bein hatte er angewinkelt, sodass er mir direkt ins Gesicht blicken konnte.
„Auf einen schönen Abend“, zwinkerte er mir zu und stieß mit mir an. Vorsichtig nippte ich an meinem Glas; ich wollte mit ja nicht gleich die Promille auf nüchternen Magen hinunterstürzen. Gegessen hatte ich den ganzen Tag natürlich wieder nichts. Wenn das so weiterging, würde sich jede sportliche Ambition in Sachen Bikinifigur demnächst erübrigen. Wenigstens etwas, dachte ich ironisch.
Der Wein schmeckte leicht und fruchtig, als enthielte er keinen Alkohol, gekrönt von einer blumigen Note im Abgang. Gefährlich, mahnte ich mich selbst, während ich in Darons Augen blickte.
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