Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
der besonders intensiv über seinem Handgelenk pulsierte.
„Warum ist mir, wenn ich in deine Augen schaue, als würde sich in ihnen die ganze Schönheit der Welt spiegeln und dahinter eine Nachdenklichkeit und Trauer, die so tief ist wie das Meer?“
Erneut legte ich ihm einen kleinen Kuss in seine Handfläche und vernahm einen leichten Seufzer. Als ich aufsah, trafen sich unsere Blicke, und es war mir, als hätten meine Worte eine Tür zu seinem Inneren geöffnet, von der ich vorher nicht gewusst hatte, dass sie existierte. In seinem Blick lag so viel Sanftmut, so viel Stärke und Kraft, doch die Traurigkeit, von der ich gesprochen hatte, hatte in diesem Moment die Oberhand gewonnen und schwächte das grüne Leuchten, das mich so sehr faszinierte. Ich nahm eine dicke Strähne seines langen, glatten Haares und ließ es langsam durch meine Finger gleiten. Keine Seide der Welt hätte geschmeidiger sein können. In diesem Moment hätte ich daraus am liebsten einen Pullover gestrickt und ihn nie wieder ausgezogen.
„So weich, so unglaublich weich …“, sagte ich, führte seine Haare an mein Gesicht und sog ihren ganz besonderen Duft ein. Doch zu meinem Erstaunen roch ich weder Wald noch Erde, wie ich angenommen hatte. Seine Haare trugen das Aroma der brennenden Sonne, und als ich meine Augen schloss, sah ich vor mir die unendliche Weite der roten Wüste, die am Horizont mit dem wolkenlosen Blau des Himmels verschmolz. Deutlich erkannte ich das Flirren der Luft, und ein leichter Windhauch blies unablässig neue Wellen in die sich ringsum befindlichen Dünen. So schön war dieser Ort, so warm und hell, dass ich mich umgehend dorthin gewünscht hätte. Ich spürte, wie sich Darons Hand an meinem Rücken leicht versteifte, während er mit der anderen zaghaft versuchte, zärtlich über meinen Kopf zu streicheln und mit meinen kurzen Wuschelhaaren zu spielen. Dies holte mich zurück aus meiner Traumstarre, sodass ich leicht verwirrt in sein Gesicht blickte, das sich so hell und markant vom Dunkel seiner Haare absetzte. Er lächelte, doch vermochte er damit die Schwermut nicht zu vertuschen.
„Du bist wirklich eine beeindruckende junge Dame, Aline“, sagte er und strich mir liebevoll eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. „Vor vierundzwanzig Stunden noch dachte ich, ich würde mich niemals in jemanden verlieben, als ich unter dem Baum stand, an dem ich schon so oft Ruhe und Frieden gefunden habe. Ich wollte einfach nur den Kopf frei bekommen, eine Runde abschalten, weg von allem. Und auf einmal standst du da und hast mich mit einer beinahe kindlichen Neugier beobachtet, ganz ohne Scheu, dass man dich dabei erwischen könnte. Nenn mich romantisch, nenn mich meinetwegen gar einen Träumer, aber in dieser Sekunde wusste ich, diese Frau ist etwas ganz Besonderes. Diese Frau ist es wert, sie näher kennenzulernen. Und ich hatte recht. Auch ich habe das Gefühl, als würde ich dich schon ewig kennen. Dich, dein Herz und … deine Seele.“
Ich wusste nicht, wieso, aber mir war, als hätte Daron die beiden letzten Worte mit einer nahezu übermächtigen Intensität ausgesprochen, als würden sie wie ein Echo in meiner Wohnung nachhallen. Irgendwo tief drinnen in mir erschauerte unwillkürlich etwas, und tatsächlich wurde ich sogleich von einem kurzen Schüttelfrost befallen. Die Härchen stellten sich mir am ganzen Körper auf, und mein Herz begann plötzlich drei Gänge nach oben zu schalten. Auf einmal war mir unwahrscheinlich kalt, als hätte jemand die Heizung schon vor Stunden ausgestellt, und ich widerstand nur schwer dem Drang, in die Luft zu hauchen, um zu sehen, ob mein Atem schon kleine weiße Wolken bildete. Entweder bekam ich nun die Reaktion meines Körpers auf den Raubbau der letzten vierundzwanzig Stunden serviert, oder hier war gerade etwas ganz und gar nicht in Ordnung. In Sekundenschnelle wog ich meine Möglichkeiten ab. Ich konnte jetzt entweder so tun, als sei nichts gewesen, und diese merkwürdige Situation auf meinen übernächtigten Körper schieben, oder ich konnte meinem Instinkt vertrauen, der gerade alle Alarmglöckchen angestellt hatte und mir signalisierte, dass hier etwas nicht stimmte. Ich entschied mich für volles Risiko. Für einen Abend hatte ich schon so viele Fragen gestellt, da kam es auf eine mehr oder weniger nicht an. Und schließlich hatte Daron mir versprochen, wahrheitsgemäß zu antworten. Hatte er doch, oder? „Was war das gerade?“, fragte ich ihn mit erstaunlich
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