Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
beruhigte mich. Irgendwie beneidete ich die vielen Menschen dort unten um ihre Unwissenheit über den tatsächlichen Lauf der Welt. Es gab so viel, was sie nicht einmal ahnten und von dem ich mich fragte, wie ich mir je hatte aussuchen können, es irgendwann einmal wissen zu wollen.
Vielleicht wäre es anders einfacher gewesen.
Vielleicht aber auch nicht.
Müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
Es war, wie es war, und daran konnte niemand mehr etwas ändern.
Ich hörte, wie Daron aus der Küche kam; er setzte sich hinter mich und reichte mir auf dem Weg einer Umarmung eine Tasse heißen Vanilletee.
„Hier, das wird dir gut tun“, flüsterte er mir ins Ohr, und ich lehnte mich an seine starke Brust.
Ich bedankte mich artig und nahm einen kleinen Schluck. Der Tee schmeckte so süß und weich, dass ich die Augen schloss und einfach nur die wohlige Wärme genoss, die sich in meinem Magen breit machte. So breit, dass er im nächsten Moment zu knurren begann.
„Hoppla“, sagte ich überrascht, und Daron lachte.
„Möchtest du was essen?“
Ich überlegte. Ja, ich hatte eindeutig Hunger. Aber das war mir jetzt nicht so wichtig.
„Später“, antwortete ich ihm und nahm einen weiteren Schluck.
„Daron, wie wird es sein?“, fragte ich und kuschelte mich umso mehr an seinen warmen Oberkörper.
„Was denn, Kleines?“
„Du und ich … und die nächste Generation … wo werden wir leben? Wie? Und wann? Und was für eine Prüfung erwartet mich?“ Eine Frage nach der nächsten purzelte aus meinem Mund, bevor ich sie stoppen konnte.
Behutsam strich mir Daron mit der rechten Hand über den Kopf, während er sich mit der linken am Boden aufstützte.
„Du und deine Neugier“, antwortete er sanft und gab mir einen Kuss in meine wuscheligen Haare. „Es wird schön werden, Kleines. Hab keine Angst. So lange ich bei dir bin, kann dir nichts passieren.“
„Das sagst du so leicht“, maulte ich in meine Teetasse. „Du musst ja keinen überirdischen Test über dich ergehen lassen und anschließend einen Bauch mit acht Kindern durch die Gegend wuchten. Was ist mit meinem Leben, das ich jetzt habe, Daron? Was ist mit meiner Mutter, meiner Cousine, meinen Freunden, meiner Arbeit? Wo sind sie in der ganzen Geschichte?“
Lange Zeit sagte er gar nichts, sondern streichelte nur weiter beruhigend über meinen Kopf.
„Es fällt mir nicht leicht, dir das zu sagen, Kleines, aber du kannst dein Leben, so wie es ist, ab dem Zeitraum der Empfängnis nicht mehr weiterführen. Eine Achtlingsschwangerschaft ist nicht nur eine für den weiblichen Körper sehr belastende Erfahrung, sie zieht auch unnötige Aufmerksamkeit auf sich. Was das Medizinische betrifft, so wird sich während der ganzen Zeit Franziska um dich kümmern. Wenn die Kinder erst einmal auf der Welt sind, benötigen sie besondere Aufsicht durch die Familie. Sie werden von Anfang an auf ihre Aufgabe vorbereitet und durchlaufen eine ganz andere Erziehung als normaler Kinder. Das alles ist zu wichtig, als dass wir es riskieren könnten, auch nur einem Außenstehenden von unserer Existenz und der wahren Existenz der Welt zu berichten. Denkst du nicht auch, es wäre zu grausam, deiner Mutter von ihren Enkeln zu erzählen und sie ihr dann vorzuenthalten?“
Ich nickte.
Es gefiel mir zwar nicht, aber Daron hatte recht.
„Wie sieht der Plan aus?“
„Sobald sicher ist, dass du schwanger bist, müssen wir deinen Tod vortäuschen. Das ist mehr als zynisch, ich weiß, aber die einzige Möglichkeit, deine und die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten. Du musst dir zudem bewusst sein, dass auch du ab der Aufnahmezeremonie, die dem bestandenen Test folgt, nicht mehr altern wirst. Das würde mit der Zeit sicherlich auffallen.“
„Bedeutet das, meine Mutter würde meinen Tod miterleben?“, wagte ich kaum zu fragen; zu schwer wog der Fels auf meinem Herzen. Erst mein Vater und dann ich, das würde sie einfach nicht verkraften.
„Kleines, das liegt nicht in meiner Hand. Ich selber hole zwar die Seelen, aber es ist nicht wie in einer Liste, auf der pro Tag tausend Namen stehen und hinter die ich nach jeder erfolgreichen Reise ein Häkchen setze. Die Zeitspanne zwischen dem vorbereitenden Besuch und der tatsächlichen Begegnung variiert von Person zu Person, mal ist sie kürzer, mal länger. Insgesamt würde ich sie als eher kurz bezeichnen, und doch kann ich dir jetzt noch nicht sagen, was entsprechend der Zeitmessung in dieser Welt in einer Woche sein
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