Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
wird, geschweige denn in einem Jahr. Es ist dein gutes Recht zu fragen, was dich in Zukunft erwarten wird. Aber mach langsam, einen Schritt nach dem anderen. Und wenn es dich beruhigt: Auch wenn der Ritus vollzogen ist, obliegt es immer noch uns, den Zeitpunkt für die Empfängnis zu bestimmen. Solange wir nicht wollen, müssen wir auch nicht. Unter Umständen erlebt deine Mutter das dann auch nicht mehr. Jede unserer erwählten Aufgaben bietet uns hier und da die Gelegenheit, sich an einer Weggabelung in eine neue Richtung zu bewegen.“
Ich seufzte tief in meine Tasse.
„Na, wenigstens etwas. Wie sehen Test und Ritual denn aus?“, wiederholte ich meine Frage.
„Das kann ich dir leider nicht sagen. Es ist eine Art Prüfung, und jede Bewahrerin erhält eine, die individuell auf ihre Person zugeschnitten ist. Selbst wenn ich es wüsste, ich dürfte es dir nicht sagen.“
Super.
Spannung, Spiel und Tod.
Gleich drei Dinge auf einmal.
Was war ich für ein Glückskeks.
Erneut meldete sich mein Magen.
„Sollen wir nicht doch lieber was essen?“, fragte Daron.
„Ich denke schon“, antwortete ich. „Aber nicht hier. Lass uns zu mir gehen. So schön es hier ist, langsam habe ich das Gefühl, hier erschlägt mich alles. Fahren wir zu mir, und ich schmeiße uns ein paar Spaghetti in den Topf. Ich brauch jetzt einfach mein gewohntes Umfeld, um wirklich ausspannen zu können. Abgesehen davon muss ich morgen auch wieder arbeiten. Noch sind wir schließlich nicht so weit, dass ich abtauchen muss.“
Mit diesen Worten dehnte ich den Kopf nach hinten, und Daron beugte sich zu mir herunter, um mir einen kleinen Kuss zu geben.
„Einverstanden“, erwiderte er und zwinkerte mir neckisch zu, „bis auf eine Kleinigkeit.“
28
Ja, genau.
Eine Kleinigkeit.
So langsam wusste ich, dass ich Daron bei so etwas nicht trauen konnte. Seine Kleinigkeiten waren alles andere als klein. Was konnte man schon anderes erwarten von einem Nicht-ganz-Menschlichen, der es sich leisten konnte, einfach mal so einen Zwanzigtausend-Dollar-Whisky unters Volk beziehungsweise an seine Freundin zu bringen.
O Gott, der Whisky.
Bei dem Gedanken daran wurde mir immer noch ein wenig flau.
Auf dem Weg zu meiner Wohnung hatte Daron per Autotelefon bei einem der besten Japaner der Stadt angerufen und diverse Sachen an meine Adresse bestellt. Wohlgemerkt, das Restaurant bot keinen Lieferservice an. Aber wenn Geld keine Rolle spielte, dann wurde auch hier mal ein Auge zugedrückt. Pünktlich war der Lieferjunge auf meiner Türschwelle erschienen, während ich mir im Bad eine Runde Fassadenrenovierung gegönnt hatte. Dazu bequeme Jeans und mein Lieblingspullover mit Kaschmiranteil in einem zarten Beerenton, zwei Spritzer RicciRicci aufgelegt, und schon war ich wieder vorzeigbar.
Fragen Sie mich nicht, was sich da an Leckereien vor mir türmte, es duftete einfach unbeschreiblich, als ich aus dem Bad kam. Jede Menge Sushiröllchen mit Gemüse, Hähnchen, Lachs und Krebsfleisch, dazu heiße Misosuppe und etwas, das sich, wie Daron mir erklärte, Buta Kimuchi nannte, in leicht scharfer Chilisoße angebratenes Schweinefleisch. Meine Küche war in der Zwischenzeit zu einer kleinen Sushibar umfunktioniert worden, und Daron hatte die Speisen stilvoll auf dem Esstisch angerichtet. Ich wusste gar nicht, was ich zuerst auf meinen Teller laden sollte, als er mir galant den Stuhl zurechtrückte.
Darauf stand ich total.
Und wenn ein Mann mir in den Mantel half oder die Tür aufhielt.
Alle drei Kriterien hatte mein sanfter Riese bisher mit Bravour erfüllt.
Schmacht.
„Lass es dir schmecken. Du brauchst jetzt deine Kraft, Kleines“, sagte er, während er uns auffüllte. Ich ließ mich nicht lange bitten. Egal was ich probierte, es schmeckte zum Niederknien. Mein persönliches Highlight waren Dangos, kleine Reisbällchen mit Sesam, in die ein süßes rotes Mus eingearbeitet war. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle in diese Schüssel geworfen und mich in den Bällchen gewälzt.
„Wenn du mich weiterhin so mästest, habe ich in zwei Wochen zwanzig Kilo mehr auf den Rippen“, schmatzte ich, während ich mir die Reste des Honigs von den Fingern schleckte, der zusätzlich für die kleinen Kugeln zum Dippen gedacht war. Wieso nur hatte ich bisher noch nie japanisch gegessen?
Daron lachte in sich hinein und kniff mir in die Wange.
„Nicht mit Sushi, da brauchst du keine Angst zu haben. Die japanische Küche ist eine der gesündesten und
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