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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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hätte.
„Seit wann schicken die dich?“, fragte er stattdessen. „Ist Reichenbaum jetzt
schon das Personal ausgegangen?“
„Hey, Reichenbaum will das so klein wie möglich halten. Er glaubt an deine
Unschuld. Je weniger davon wissen, desto besser. Das ist doch auch in Deinem
Interesse. Deshalb bin ich alleine hier.“
Hagen löste sich vom Türrahmen.
„Komm kurz rein“, forderte Hagen ihn auf. „Ich bin gleich fertig. Ich wollte
ohnehin gerade aufs Revier, um die Aussage zu machen.“
Die Wohnung roch noch neu. Es war eine Dreizimmerwohnung in einer Neubauanlage
im Tiergarten, die identische Wohnung gegenüber stand noch leer. Von dem
kleinen, schmucklosen Balkon aus sah man direkt in die Nachbarwohnung. Die
Wände waren weiß, das Parkett einheitlich braun, die Zimmer kaum möbliert. Ein
paar Umzugskartons standen herum.
„Ich hol nur meine Sachen.“ Hagen verschwand in einem Zimmer und zog die Tür
hinter sich zu.
Ein Schweißtropfen rann ihm die Schläfe hinab. Unschlüssig blieb er stehen.
Was, wenn Hagen an seinem Computer Beweise löschte?
„Hagen?“, rief er. Die Tür war nur angelehnt.
„Ja?“
„Du weißt, dass ich dich nicht alleine lassen darf. Macht es dir was aus, wenn
wir jetzt aufbrechen?“
„Sofort.“
Die Tür schwang lautlos auf, als er sie berührte. Außer dem Schreibtisch und
Computer war alles schon verstaut. Die Umzugskartons stapelten sich hier
drinnen bis unter die Decke. Er erinnerte sich, dass Hagen erst letztes Jahr
hier eingezogen war, offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, so schnell
die Stelle in den USA angeboten zu bekommen.
„Es tut mir leid, aber du musst das hierlassen.“ Er zeigte auf den Laptop, den
Hagen in seiner Tasche verstaute. „Ich meine, die nehmen ihn dir ohnehin im
Präsidium ab.“
„Okay okay.“
An der Wand hinter dem Schreibtisch war ein Spiegel angebracht. Darin
überprüfte Hagen, ob seine Krawatte richtig saß.
„Aber aufs Klo darf ich noch, ohne dass du mir den Schwanz hältst?“
„Klar man.“ Er bemühte sich um einen normalen Tonfall.
„Sag mal“, räusperte er sich, als Hagen nicht reagierte. „Stimmt das eigentlich,
dass du auf die kleine Krefeld scharf warst?“
Hagen fixierte ihm im Spiegel. „Hör auf mit der Scheiße.“
„Hey, ich kann's dir nicht verübeln, die war ja wirklich rattenscharf.“
„Wir wissen doch beide, dass ich nicht der Täter bin“, presste Hagen hervor.
Der Mann ekelte ihn an. Unter seinem T-Shirt zeichnete sich ein Bauchansatz ab,
unter den Achseln zwei große dunkle Flecken. Er verströmte den schweißigen
Geruch von alleinstehenden Männern, die ihre Wäsche im Nassen trockneten. Nur
gutaussehende, erfolgreiche Männer wie er durften so über Frauen sprechen, fand
er.
„Wer behauptet das?“, fragte Hagen. „Das ist Verleumdung.“
„Diese kleine blonde Schlampe, die immer an der Seite der Krefeld war, hat
Beweise.“
„Du glaubst doch nicht, dass ich so blöd wäre, solch offensichtliche Beweise zu
hinterlassen.“ Hagen tippte sich an die Stirn. Offensichtlich wusste er, von
welchen Beweisen die Rede war.
Der Kollege zuckte mit den Schultern. Manchmal war gerade das die Tarnung, sich
nicht zu verstecken.
„Soll ich dir was zeigen?“ Hagen fuhr den Computer hoch.
„Wir müssen jetzt wirklich los“, hörte er den Kollegen wieder. Sein winselnder
Ton ging ihm auf die Nerven.
„Das musst du dir ansehen.“ Hagen lehnte sich zurück und gab die Sicht auf den
Bildschirm frei.
Stella Krefeld stand vor einem Kamin. Das Foto zeigte sie von hinten, nur den
Kopf drehte sie lachend der Kamera zu. Mit den Händen stützte sie sich auf das
Kaminsims. Ihr Oberkörper war nach vorne gebeugt. Die Beine waren leicht
gegrätscht. Sie war nackt. Und sie lächelte.
„Woher hast du das?“ Er konnte es nicht glauben.
„Das hat sie mir selbst geschickt! Um mich heißzumachen, Mann! Was denkst du
denn? Die Kleine war hinter mir her! Und als es dann ernst wurde, hat sie sich
bitten lassen wie ein scheues Reh.“ Hagen tippte sich wieder an die Stirn.
„War mir gleich klar, dass die blonde Schlampe nicht alles erzählt hat.“
„Hey, ich kann dir deine Wut nicht verübeln“, fügte er mitfühlend hinzu. Er
wollte Hagen die Hand auf die Schulter legen.
Hagen drehte sich um. Er wollte die Berührung nicht. Sein Gesicht zeigte eine
Reihe schneller Veränderungen. Die Wut verbrannte sich zu Hass, der Hass ging
in Verzweiflung über.
„Margot ist tot.“ Hagens Augen verengten sich. „Und ich soll in

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