Auserwaehlt
sein
Ausbildner und Mentor und hatte ihm schon früh eine große Karriere vorhersagt.
Er hatte recht behalten.
„An der Haustür konnten keine Spuren von Gewalteinwirkung festgestellt werden,
wie auch an den Schiebetüren zum Garten hinaus. Sieht so aus, als habe Margot
ihren Mörder freiwillig hereingelassen.“ Reichenbaum hielt sich den Magen.
„Du meinst, sie hat ihn gekannt?“ Teufel sah auf das Kräuterbeet hinaus.
„Es ist zumindest eine Möglichkeit. Wir müssen die alten Fälle durchgehen,
vielleicht wurde ihr früher schon einmal gedroht. Vielleicht kam er als Paketbote,
Pizza, Zeuge Jehovas, alles ist möglich.“
Teufel bewegte seine Finger. Es fühlte sich an wie Rheuma, doch er wusste, was
es war. Sein Körper begann sich bereits, dagegen zu wehren. Trotzdem würde er
die Obduktion niemand anderem überlassen.
„Oder die Fenster zum Garten standen offen.“ Clara sprach an niemanden gerichtet.
„Margot hat die Fenster oft offen gelassen.“
„Ihr sagtet doch, sie waren zu, als ihr kamt?“
Clara starrte hinaus.
Im Garten tauchten jetzt mehrere Beamte auf. Sie mussten über den Schleichweg
vom Kanal her gekommen sein, einer trat gerade in das Kräuterbeet. Teufel hob
seine Hand, doch er ließ sie wieder sinken, ohne etwas zu sagen.
Reichenbaum setzte sich neben Clara. Die Energie, die er kurzzeitig gespürt hatte,
war wieder weg. „Warum um Gottes willen bringt jemand den Vogel um?“, flüsterte
er.
„Entschuldigung.“ Ein Mann mit ausdruckslosen, grauen Augen war zu ihnen
getreten. Reichenbaum kannte den dünnen Kahlkopf von der Spurenermittlung, doch
dass er jetzt im Team der Fahnder arbeitete, war ihm neu.
„Wir haben gerade einen Volltreffer gelandet“, sagte er. Auf seinem Gesicht
erschien ein Anflug von Stolz, bevor es wieder verkrampfte. „Gegenüber wohnt
das Ehepaar Kaminski.“ Er deutete zur Straße hinaus. „Sie kamen gestern um
Viertel nach zehn von der Oper nach Hause und haben gesehen, wie vor der
Haustür der Hauptkommissarin ein großer, sportlicher Mann stand. Als Herr
Kaminski zehn Minuten später noch mal raus ist, um das Garagentor
abzuschließen, war der Mann immer noch da. Er sei um das Haus geschlichen, als
habe er nach einem Eingang gesucht. Herr Kaminski hat den Mann angesprochen,
doch der habe nicht reagiert und sei in Richtung Kanal davongelaufen.“
Alle hatten aufmerksam zugehört.
„Das Ehepaar Kaminskis meint, sie würden den Mann auf jeden Fall wiedererkennen“,
fügte er hinzu.
„Sie sollen aufs Revier kommen, sofort, ein Phantombild.“
Der Mann nickte, musterte Clara kurz und zog sich wieder zurück.
„Es ist jetzt 14 Uhr vorbei.“ Reichenbaum klang erschöpft. „Ich habe gleich ein
Treffen mit der Staatsanwaltschaft und dem Präsidenten. Bis feststeht, wie wir
mit der Presse verfahren, kein Wort, das brauche ich ja nicht extra zu betonen.“
Er sah Teufel nicht an, als er fortfuhr: „Dann brauchen wir den genauen Obduktionsbefund
so schnell wie möglich.“
Johannes Teufel massierte seine Hände.
„Die nächste große Besprechung ist morgen um 12 Uhr in meinem Büro. Ich möchte
den Kern des Ermittlungsteams so klein wie möglich halten.“ Er checkte flüchtig
sein Handy, das unaufhörlich vibrierte. „Clara und Hagen, ihr kommt morgen
bitte dazu“, entschied er, ohne vom Display aufzusehen. „Ich brauche alle
Details der letzten beiden Fälle, bitte bereitet das für morgen vor. Nach der
Sitzung werden wir dann sehen, wie es weitergeht. Ihr solltet vielleicht
erstmal Urlaub nehmen. Ihr braucht Abstand.“
Hagens Blick bohrte sich in die Tischplatte. Clara wirkte steif wie eine Schaufensterpuppe.
Sie hielt ein Stück schwarzer Spitze in den Händen. Mit wächsernem Gesicht und
Augen, die der Schock für immer geweitet zu haben schien, ließ sie sich jetzt
von Teufel umarmen, der sich auf den Weg in die Gerichtsmedizin machte.
„Bis nachher ...“, sagte jemand.
Reichenbaum wusste, dass die beiden keinen Urlaub nehmen würden, dass sie keine
Ruhe finden konnten, ehe der Fall aufgeklärt war. Die Trauer konnte höflich
sein. Wenn man eine wichtige Sache zu erledigen hatte, konnte sie warten,
manchmal sogar Jahre, auch das wusste er. Doch eines Tages, wenn der Fall
abgeschlossen war, klopfte sie an die Tür und forderte ihren Preis. So wie
Rumpelstilzchen das Kind der Königin.
Reichenbaum sah in den Garten hinaus, mit Stangen, Rechen und Schaufeln nahmen
die Kollegen jeden Zentimeter Grün unter die Lupe.
„Bis dann.“ Unbeholfen reichte
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