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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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hat
mich angerufen.“
„Wilma Hellström?“
Hagen hatte ein Pokerface aufgesetzt. Reichenbaum war sich nicht sicher, ob es
jahrelanger Übung oder seiner Natur entsprang, doch es war kein gutes Zeichen.
Hagen war längst auf Verteidigungskurs.
„Du warst gestern Abend bei Margot.“
„Ach das.“ Auf Hagens Stirn standen Schweißperlen. „Sie wollte mit mir über eine
Stelle sprechen, das habe ich doch schon gesagt.“
„Hast du nicht.“
Reichenbaum musste direkt sein.
„Dann hab ich es in dem ganzen Chaos halt vergessen.“ Hagen verschränkte die
Arme. „Aber ich habe es Clara gesagt, Clara Schwarzenbach, sie kann das bestätigen.“
„Was soll sie bestätigen?“
Reichenbaum bohrte die Augen in die seines Schützlings.
„Verdammt, ja, Thilmann, was soll ich denn machen?“ Hagen fuhr sich mit den
Händen durch die Haare, seine Stimme klang verzweifelt, sein Blick war echt.
Erleichtert atmete Reichenbaum durch und hörte zu.
„Ich war gestern Abend bei Margot, das habe ich Clara gegenüber auch erwähnt,
heute Morgen, bevor wir zu Margot gefahren sind, deshalb war ich ja auch so
besorgt. Denn Margot hat mir gestern nicht geöffnet, obwohl wir verabredet
waren. Ich dachte, sie sei nicht da, verstehst du das?“
Aufgeregt ging Hagen hin und her.
„Mein Gott, wenn ich daran denke, dass der Typ zu dieser Zeit bereits bei ihr
war, dass er ihr eine Pistole an den Kopf gehalten hat, während ich geklingelt
habe. Wenn ich daran denke, dass er sie bedroht und belästigt hat, während ich
draußen herumstand ...“. Er sah Reichenbaum an. Dann schrie er es heraus: „Das
macht mich wahnsinnig, versteht du das?“
Hagen trommelte mit den Fäusten gegen die Wand. Er hatte den Blick eines
eingesperrten Tigers.
„Beruhige dich“, sagte Reichenbaum. „So kommen wir nicht weiter.“
Reichenbaum ging um den Schreibtisch herum und setzte sich. Er wies Hagen an,
sich ihm gegenüber zu setzten.
„Margot hat dich also zu sich nach Hause bestellt, um mit dir über eine Stelle
zu sprechen?“
Hagen nickte.
„Hast Du das schriftlich, eine E-Mail oder so?“
Hagen schüttelte den Kopf.
„Was für eine Stelle?“
Hagen fuhr sich mit den Händen durch die kurzen, dichten Haare.
„Nun gut.“ Reichenbaum lehnte sich zurück. Er verwarf den Gedanken, die
Geschichte alleine mit Hagen zu klären. Die Sache mit Margot war einfach zu
groß. Allein zu Hagens Schutz musste er offensiv damit umgehen.
„Du bist bis auf Weiteres von dem Fall suspendiert“, sagte Reichenbaum mit
fester, ruhiger Stimme. „Morgen früh meldest du dich, sie sollen deine Aussage
offiziell aufnehmen.“
„Thilmann.“ Panisch blickte Hagen sich um. „Ich muss ... ich kann nicht ...
verstehst du mich nicht?“ Er stand wieder auf. „Irgendwo da draußen läuft das
Schwein herum, dass Margot auf dem Gewissen hat. Und ich soll Däumchen drehen?
Ich muss dieses Schwein ...“
Hagens Augäpfel sahen aus, als würden sie jeden Moment aus den Höhlen treten.
„Deshalb habe ich nichts gesagt, versteht du das nicht?“
„Es tut mir leid, Hagen“, sagte Reichenbaum. „Du bist jetzt ein wichtiger Zeuge,
vergiss das nicht. Komm morgen früh aufs Revier und mach deine Aussage. Es ist
zu deinem eigenen Schutz.“
„Thilmann, bitte, das kannst du nicht machen, ich bin in dem Fall drin, ich weiß,
wie das Schwein tickt, du brauchst mich, bitte, tu es für Margot!“
Reichenbaum schwieg. Er war sich sicher, dass Hagen nichts damit zu tun hatte.
Er kannte ihn seit fünfzehn Jahren.
„Es tut mir leid, Hagen. Bis morgen.“
Es klopfte an der Tür.
„Kann ich was tun?“ Rebecca strich sich eine Haarsträhne aus der hohen Stirn.
Das ernste Gesicht und die Kultiviertheit seiner Assistentin standen Reichenbaum
viel näher als die brachiale Natur Hagens; er war froh, sie zu sehen. Sie
musste etwas gehört haben.
Wortlos verließ Hagen das Büro. Reichenbaum klärte seine Assistentin auf.
„Aber wir wollen die Kirche im Dorf lassen“, schloss Reichenbaum seine Rede.
„Er ist kein Verdächtiger. Er ist nur ein Zeuge.“
Rebecca sagte nichts.
„Einen Kaffee?“, fragte er.
„Gern.“
Reichenbaum hatte vergessen, dass seine Sekretärin nicht da war. Gedankenverloren
schlurfte er den Gang zur Kaffeeküche hinab.

45
    Clara hatte versucht, ein bisschen zu schlafen, doch der
Lärm ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Es hörte sich an, als klopfe jemand im
Hinterhof einen Teppich aus. Die Frequenz der Schläge war so hoch, dass sie
irritiert zum Fenster hinaus blickte.

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