Ausgebremst
acht Weltmeistertitel erobert. Gemeinsam 78 Rennsiege.
Carlos Pace hat dagegen zu Lebzeiten nur ein einziges Rennen gewonnen. Trotzdem war Pace einer der stärksten Fahrer seiner Zeit. Vor der Saison 1977, in der ihm nur noch drei Rennen vergönnt waren, galt Pace auf dem roten Brabham-Alfa Romeo als einer der heißesten WM-Tips. Bernie Ecclestone - damals schon Direktor und unumschränkter Herrscher des Formel-1-Zirkus, dazu noch Chef des Brabham-Teams - sagt heute noch: «Carlos wäre 1977 sicher Weltmeister geworden.»
Tatsächlich begann die Saison sehr vielversprechend für ihn. Im ersten Rennen, dem Großen Preis von Argentinien in Buenos Aires, wurde er zweiter, fünf Runden vor Schluß von Jody Scheckter abgefangen. Das vorletzte Rennen von Carlos Pace war dann ausgerechnet sein Heimatrennen, der Grand Prix von Brasilien in Interlagos.
Nach seinem großartigen Rennen in Argentinien erlebte Carlos Pace die brasilianischen Fans in einem fast bedrohlichen Freudentaumel. Und er tat das Seine, um diese Euphorie noch anzuheizen. Schon beim ersten Training fuhr er die Konkurrenz in Grund und Boden, distanzierte den Zweitplazierten um eine volle Sekunde. Obwohl er am zweiten Trainingstag wegen technischer Probleme in der Startaufstellung zurückfiel, katapultierte er sich beim Rennen aus der dritten Startreihe in Führung. Die Fans tobten. Aber nur fünf Runden lang, dann boxte James Hunt Carlos Pace von der Straße (Steve bestritt es noch, als Hunt selbst es längst zugegeben hatte).
Es sind aber nicht die außergewöhnlichen fahrerischen Qualitäten Carlos Paces, die mich dazu verleiten, ihn in so manchem Grand Prix der Unschlagbaren als strahlenden Trainingsbesten, Aufholjäger, Führenden und oft auch als Sieger zu feiern.
Der Grund dafür liegt in einem Rennen, bei dem Carlos Pace keinen einzigen Punkt erreichte. Eigentlich gar nicht in einem Rennen, sondern im Freitagstraining des 15. August 1975.
An diesem Tag besuchte ich zum erstenmal eine Rennstrecke. Jahrelang hatte mich der Widerstand Theresas davon abgehalten. Schon zwei Stunden vor Trainingsbeginn stand ich in der Bosch-Kurve, am höchsten Punkt des hügeligen Österreich-Rings. Ich sah in der einen Richtung die Schönberg-Gerade bis zur Glatz-Kurve zurück, in der anderen Richtung die Texaco-Schikane, wo die meisten Überholmanöver zu erwarten waren. Und direkt vor meinen Füßen lag die spektakuläre Bosch-Kurve, eine 180-Grad-Kurve, an der die lange Gerade so abrupt wie an einer Betonmauer endete.
Kurz nach acht Uhr war ich in der Bosch-Kurve angekommen. Außer mir war erst eine Handvoll unausgeschlafener Fans zu sehen. Für zehn Uhr dreißig war das erste Training angesetzt. Ich weiß noch, daß ich in fiebriger Erwartung von Viertel nach acht bis halb elf in der BoschKurve stand, auf die Strecke hinunterstarrte und jede Sekunde der Vorfreude genoß. Ich wünschte nicht einmal, die Zeit bis halb elf solle schneller vergehen.
Um zehn Uhr erwachte Leben in den Lautsprechern. Der Platzsprecher, ein bekannter Fernseh-Sportreporter, begrüßte die Zuschauer, dann kam kurz fürchterlich verzerrte Popmusik aus den Lautsprechern, die immer wieder abriß, als würde die Lautsprecheranlage erst repariert. Nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei, und es herrschte wieder Ruhe am Ring.
Die vereinzelten Fans waren auffällig still, tranken und aßen vielleicht etwas, wirkten aber eher wie die übermüdeten Teilnehmer einer Nachtwallfahrt als wie leidenschaftliche Fanatiker eines Sport-Großereignisses.
Es war ein stiller, warmer Augustmorgen, und ich blickte auf die grüne Hügellandschaft hinab, in die der Österreich-Ring eingebettet war. Ich stand jetzt seit zwei Stunden an ein und derselben Stelle, bequem an einen Holzzaun gelehnt. Es war so leise, daß ich sogar das Surren der Insekten wahrnahm.
Dann heulte in der Ferne der erste Motor auf.
«Jetzt kommen sie», lächelte ein älterer Mann neben mir, aber ich antwortete nicht. Ich wollte mit niemandem reden. Immer mehr Motoren jaulten kurz auf und verstummten wieder. Es waren noch zehn Minuten bis Trainingsbeginn, und der Platzsprecher verkündete, was jeder längst gehört hatte: daß die ersten Fahrer ihre Motoren probeweise anwarfen. In zehn Minuten würde das erste Training beginnen. Ich starrte zur fast einen Kilometer entfernten Glatz-Kurve zurück. Der ältere Mann sagte wieder etwas, aber ich konnte meinen Kopf nicht mehr von der Glatz-Kurve wegdrehen, wo in wenigen Augenblicken der
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