Ausgebremst
war vollkommen veraltet, ein Relikt aus der längst vergangenen Zeit der Staubkappenpiloten. Über zwanzig Kilometer durch Wald und Wiesen, als alle anderen Formel-1-Kurse nur noch zwischen vier und sechs Kilometer lang waren.
Es war unmöglich, den Ring so abzusichern wie eine VierKilometer-Piste, und es war unmöglich, ihn so mit Kameras zu bestücken, daß eine halbwegs professionelle TV-Übertragung zustande kam. Trotzdem gibt es von dem Feuerunfall des damals regierenden Weltmeisters Filmaufnahmen. Es sind die Amateurbilder einer 8-Millimeter-Kamera, aufgenommen von einem dreizehnjährigen Fan, der zufällig genau im richtigen Augenblick auf Niki Laudas Ferrari zielte.
In den prächtigen gelben und roten Farben des Amateurfilms gingen die Bilder des brennenden Weltmeisterautos im Jahr 1976 um die Welt: Wie der Ferrari mit der Startnummer 1 auf dem Streckenabschnitt Bergwerk problemlos durch die Linkskurve kommt, dann aber auf einmal völlig unmotiviert nach rechts ausbricht, sich gegen die Fahrtrichtung dreht, mit über zweihundert Stundenkilometern die Fangzäune durchschlägt und von der Felsböschung hinter den Fangzäunen auf die Strecke zurückgeschleudert wird.
Während man registriert, daß Niki Lauda beim Anprall seinen Helm verloren hat, geht der rote Ferrari plötzlich lichterloh in Flammen auf.
Man sieht, wie die nachkommenden Autos in den brennenden Ferrari krachen, wie die Fahrer aus ihren Cockpits springen und versuchen, den benommen und schutzlos ohne Helm in den Flammen sitzenden Lauda aus seinem Auto zu zerren. Es sind vier absolute Außenseiter der Formel 1, die nur wegen Laudas Reifenwechsel so knapp hinter dem Weltmeister lagen: Brett Lunger, Guy Edwards, Harald Ertl und Arturo Merzario. Fahrer, die niemals ein Rennen gewonnen haben, denen es mit Ausnahme Arturo Merzarios nicht einmal gelang, jemals auch nur einen einzigen Weltmeisterschaftspunkt zu erobern.
Man sieht auf der Amateuraufnahme, wie zuerst Brett Lunger und gleich darauf Harald Ertl in den Ferrari kracht. Wie Guy Edwards auf das brennende Wrack zurennt, sofort in die Flammen greift, aber chancenlos zurücktaumelt. Wie Brett Lunger versucht, Lauda herauszuziehen, aber ebenfalls scheitert. Wie Lunger und Edwards (genau wie drei Jahre zuvor David Purley in Zandvoort) den Streckenposten, die sich nicht an das Feuer heranwagen, ihre Feuerlöscher aus den Händen reißen und wieder zu dem brennenden Ferrari zurückrennen. Trotz der Feuerlöscher bleiben die Flammen so stark, daß weder Edwards noch Lunger, noch Ertl es schaffen, Niki Lauda zu befreien.
Plötzlich kommt Arturo Merzario ins Bild. Er ist nicht größer als ein italienischer Motorradzwerg. Der Vollvisierhelm wirkt bei ihm so groß wie ein Astronautenhelm. Man sieht, wie der kleine Arturo Merzario mit dem großen Vollvisierhelm in die Flammen taucht, sich tief in das Cockpit beugt, um Laudas Gurtschloß zu öffnen, und den Weltmeister aus den Flammen zieht.
Als Niki Lauda später nach den Wochen zwischen Leben und Tod erstmals den Amateurfilm sieht, ruft er aus: «Merzario marschiert in die Flammen wie der liebe Gott.»
Ausgerechnet vier ewige Nachzügler und Außenseiter retteten dem arroganten Weltmeister das Leben. Natürlich wurde in diesen Tagen häufig der drei Jahre alte Kommentar Laudas nach dem Unglücksrennen in Zandvoort zitiert, wo David Purley vergeblich versucht hatte, die Fahrer zum Anhalten zu bewegen, um Roger Williamson aus den Flammen zu befreien.
«Ich werde fürs Rennfahren bezahlt, nicht fürs Stehenbleiben», hatte der junge Lauda gesagt.
Jetzt überlebte er, weil vier seiner Kollegen stehengeblieben waren.
Doch auch Laudas Retter auf dem Nürburgring waren nicht von der sentimentalen Sorte. Merzario konnte den Österreicher ohnehin nicht leiden, seit der ihn 1974 bei Ferrari verdrängt hatte. Und den rauschebärtigen Harald Ertl verband mit Lauda zwar die Nationalität, aber das war auch schon alles. Nach der Rettung des Kollegen auf seine Tapferkeit angesprochen, erklärte Ertl ohne Umschweife: «Laudas Glück war, daß sein Wagen die Straße versperrte.»
Außer ihrer Ruppigkeit gab es keine Gemeinsamkeiten zwischen dem erfolgreichen und dem erfolglosen Österreicher.
Und das sollte auch in Zukunft so bleiben. Nach dem Ende seiner Karriere gründete Niki Lauda eine eigene Fluglinie. Harald Ertl starb bei einem Absturz mit seinem Privatflugzeug.
«Der Rübezahl ist auch mit dem Flugzeug abgestürzt? Harald Ertl?» fragte Bruno etwas
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