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Ausgebremst

Ausgebremst

Titel: Ausgebremst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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auf dem Kopf, und man könnte vielleicht noch als Ähnlichkeit gelten lassen, daß auch Brambillas Gesicht mit seiner Knollennase das krasse Gegenteil des römischen Schönheitsideals repräsentierte, während sich die meisten anderen italienischen Fahrer in dieser Hinsicht nicht hinter Bruno Graziano zu verstecken brauchten. Heute weiß ich allerdings, daß ein derart beneidenswertes Aussehen nicht unbedingt von Vorteil sein muß. Vor zwei Wochen haben sie einen bildhübschen achtzehnjährigen Türken hier in Stein eingeliefert, und ich fürchte, er würde viel darum geben, wie Vittorio Brambilla auszusehen.
    Brambilla galt in den siebziger Jahren als der schlimmste Sturzpilot der Formel 1. Kaum ein Rennen, in dem er seinen orangefarbenen March mit der Sponsoraufschrift «BETA utensili» nicht zerknitterte. Ein einziges Rennen konnte Brambilla allerdings gewinnen, den völlig irregulären RegenGrand-Prix auf dem Österreich-Ring 1975. Ausgerechnet das erste Rennen in meinem Leben, bei dem ich selbst unter den Zuschauern war.
    Das Rennen wurde abgebrochen, als Brambilla gerade in Führung lag, weil es die meisten Favoriten schon von der Straße gespült hatte, während sich der Bruchpilot in dem irregulären Chaos offenbar wie zu Hause fühlte. Als ihm plötzlich die schwarzweißkarierte Zielflagge vor die Nase gehalten wurde, riß er beide Arme in die Höhe, verschlug dabei vor Freude das Lenkrad und krachte als Sieger direkt auf der Ziellinie in die Boxenmauer.
    Obwohl sein March vollkommen zerknittert war, ließ sich der Tolpatsch den Triumph der Ehrenrunde nicht nehmen. Er zwang das Wrack noch einmal im Schrittempo um den Kurs, während ein apokalyptischer Wolkenbruch niederging. Brambilla jubelte den Zuschauern, die gerade im Schlamm versanken, so zu, daß er beinahe aus seinem Wrack purzelte. Die Schnauze des March ragte fast im rechten Winkel in die Landschaft.
    Ich glaube, ich war nicht der einzige, dem mitten im Wolkenbruch noch zusätzlich ein paar Tränen über die Backen liefen, so gerührt war ich über den Triumph des ewigen Bruchpiloten. Aus lauter Freude über seinen einzigen Sieg hatte er einen Totalschaden fabriziert.
    Und ich bin mir ziemlich sicher, daß es nicht Brambillas Gesicht ist, mit dem sich Liberantes zerknittertes Lächeln in meiner Erinnerung immer vermischt, sondern die zerknitterte March-Schnauze beim Grand Prix von Österreich im Jahr 1975.
    Und je zerknitterter Liberante lächelte, um so fröhlicher wirkte er. Zum Beispiel als er ausrief: «Moment, ich bin noch nicht fertig!» .
    Selten erzählte Liberante eine seiner Formel-1-Geschichten so, daß er nicht irgendwo süffisant einwerfen konnte: Moment, ich bin noch nicht fertig. «Natürlich zählt der Absturz von Graham Hill und Tony Brise nicht als zwei Elemente des Zufalls, sondern nur als eines. Wir sind erst bei der Frage.»
    «Bei welcher Frage?» fragte der Finne, der sich bisher - wie üblich, wenn er nichts getrunken hatte - auf Schweigen und gelegentliches Augenverdrehen beschränkt hatte. Es war ja schon nach Mitternacht, und um diese Zeit nahm sogar der Finne seine verspiegelte Keke-Rosberg-Sonnenbrille ab, so daß man so etwas wie Augenverdrehen überhaupt bemerken konnte.
    «Erstes Element Zufall», betete Liberante wieder seine Litanei herunter, «zweites Element Frage, drittes...»
    «Jajaja!» riß seinem schönen Cousin Bruno wieder der Geduldsfaden. «Das haben wir schon begriffen. Gib endlich die Antwort, wenn du eine weißt.»
    «Carlos Pace», sagte Liberante.
    Ich hatte die ganze Zeit darauf gewartet, daß er endlich Carlos Pace erwähnt.
Zeltweg
    So realistisch jeder Grand Prix der Unschlagbaren in den Details verläuft, so frei gestalte ich doch die Rennverläufe. Vor allem meine Vorliebe für Regenrennen schlägt immer wieder durch.
    Meine größte Willkür besteht aber sicher darin, daß ich den Brasilianer Carlos Pace so oft gewinnen lasse. Brasilien ist das Land, das seit der ersten Weltmeisterschaft im Jahr 1950 (einfach zu merken, da 1950 auch mein Geburtsjahr ist) die größte Anzahl überragender Fahrer hervorbrachte. Neben dem größten aller Zeiten, Ayrton Senna, auch noch Nelson Piquet, der es trotz der vorsätzlichen Verschlampung seines Genies zu drei Weltmeistertiteln brachte, sowie Emerson Fittipaldi, der den Anfang der siebziger Jahre so dominierte wie Piquet die achtziger und Senna die neunziger (natürlich kann man niemanden mit Senna vergleichen). Fittipaldi, Piquet und Senna haben in Summe

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