Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgebremst

Ausgebremst

Titel: Ausgebremst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
brummte der Finne.
    «Ein Autogramm», lächelte sein Landsmann Jo mich an.
    Ich gab ihm zum Abschied die Hand, während der Finne schon mit dem Müllsack über der Schulter aus dem Wohnmobil stürmte.
    Auf dem Rückweg belästigte uns niemand um ein Autogramm. Vielleicht lag es an dem Müllsack, mit dem man sich Keke Rosberg nicht recht vorstellen konnte. Vielleicht an dem schweigsamen Ernst, in dem wir dahintrotteten.
    Ich wollte es immer noch nicht glauben, daß sich der Mordverdacht des Finnen bestätigt hatte, als wir wieder in meinem Wohnmobil saßen. Meinen zehn Jahre alten Bus mit den überzüchteten Rennern Steves und des Finnen zu vergleichen wäre mir nie in den Sinn gekommen. Nicht einmal mit Liberantes High-Tech-Kiste. Aber sogar im Vergleich zu dem elf-Mobil kam es mir jetzt vor, als würden wir in einem ausrangierten Wrack auf einem Autofriedhof sitzen.
    Um irgendwas zu sagen, sagte ich: «Dein Landsmann Jo ist wirklich sympathisch.»
    «Nicht alle Finnen sind Arschlöcher», sagte der Finne zu dem Warmwasserspeicher schräg hinter mir.
zwölf
    Zwei Wochen später fand der Grand Prix von Frankreich statt. Ich hatte mich schon an einer guten Stelle eingeparkt, meinen Laden aufgebaut und mich bequem eingerichtet, als der Finne gegen Abend ankam und sich in eine Lücke direkt neben meinem Bus quetschte, wo eigentlich kein Platz mehr war. Früher hatten wir wegen so etwas Streit bekommen, aber seit es TEXUNO gab, mußten wir zusammenhalten.
    Ich erinnere mich nur so gut daran, weil ich ihn seit der chemischen Analyse des elf-Technikers nicht mehr gesehen hatte. Seither wußte ich zwar, daß der Tod Liberante Grazianos kein Unfall war. Daß irgendwer seine Atemwege gleich mit dem Inhalt mehrerer Feuerlöscher abgefüllt hatte. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, wer ein Interesse daran haben sollte, ihn umzubringen.
    Ich bildete mir ein, der Finne würde beim Aufbauen seines Verkaufsstandes demonstrativ forsch und abweisend auftreten. Um so erstaunter war ich, als ich ihn schließlich zu mir herüberstapfen sah.
    «Ich koche heute abend etwas», sagte er. «Willst du kommen?»
    Ich muß ziemlich überrascht geschaut haben, denn im nächsten Moment sah ich den Finnen zum erstenmal richtig lächeln. «Eine finnische Spezialität. Die Franzosen können nicht kochen.»
    Er tat so, als wäre die Sache mit Liberante nie geschehen, als hätte Jo nie eine Analyse des Löschpulvers gemacht.
    «Um zwölf», sagte der Finne. Das war keine ungewöhnliche Zeit. Wir aßen oft erst um Mitternacht, da wir an den Abenden das beste Geschäft machten. Wenn die Trainingsläufe vorbei waren, wurde den Fans nicht mehr viel geboten, und sobald sie betrunken genug waren, torkelten sie zu uns herüber und deckten sich mit Fanartikeln ein.
    «Hast du Bruno Graziano eigentlich inzwischen eingeweiht?» fragte ich ihn. Vor zwei Wochen in Barcelona hatte er mir ja aufgetragen, zu niemandem ein Wort zu sagen.
    Aber er überhörte einfach meine Frage. Als hätte es Barcelona nie gegeben, als gäbe es nur noch Magny Cours, wo an diesem Wochenende das Rennen stattfand. «Sie glauben, ein großer Löffel Senf genügt, und fertig ist das Essen», war er immer noch bei den Franzosen, deren Küche es ihm offenbar beim Grand Prix mitten in Burgund, in der Nähe von Dijon, angetan hatte.
    «Ich komme gern», erklärte ich. «Aber was hast du mit der Graziano-Geschichte vor?»
    «Graziano kommt auch.»
    «Bruno Graziano?»
    «Nein», verhöhnte er meine blöde Frage. «Liberante wird kommen!»
    «Und hast du Bruno eingeweiht?»
    «Wir müssen heute ein paar Dinge überprüfen.»
    «Wir? Ich weiß ja gar nicht...»
    «Ich habe Steve eingeweiht.»
    «Steve?»
    Ich konnte nicht verstehen, daß er ausgerechnet seinen Erzrivalen ins Vertrauen gezogen hatte.
    «Steve war früher in England bei der Polizei.»
    «Steve bei der Polizei? Das glaubt du wohl selbst nicht.»
    Es war ja bekannt, daß einige von uns auch kleine Nebengeschäfte betrieben. Anfangs hatte ich bei den verschiedenen Andeutungen noch geglaubt, es wäre die Rede von den geschmuggelten Tabakwaren der Zigarettensponsoren wie John Players (Lotus), Rothmans (Williams), Marlboro (McLaren und Ferrari) oder Mild Seven (Benetton). Aber die verkauften wir ja schon mehr oder weniger offiziell. Und mit der Zeit begriff ich, daß einige von uns auf Anfrage noch wesentlich härteres Zeug beschaffen konnten. Vor allem Steve und der Finne. Auch Liberante war dafür bekannt gewesen.
    «Steve war bei

Weitere Kostenlose Bücher