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Ausgebremst

Ausgebremst

Titel: Ausgebremst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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und daß er das Löschpulver eingepackt hatte, um diesem Verdacht nachzugehen. Aber ich brauchte noch etwas Zeit, um diese Neuigkeit zu verdauen.
    Liebe Theresa!
    Ich weiß, daß es damals ein schwerer Schlag für dich war, als ich mich dem Rennzirkus anschloß. So schnell vergehen zwanzig Jahre, und ich habe dich seither nie wiedergesehen. Und so, wie wir damals durch meine Einsätze auf den Rennstrecken Europas jeden Kontakt verloren hatten, so ist es heute für uns wieder unmöglich zusammenzukommen, weil ich noch jahrelang in Stein sitzen werde. Siebzehn Jahre lang ernährte ich mich aus Campingtöpfen. Das Geschirr der Strafanstalt unterscheidet sich nicht sehr stark davon. Die
    Zelle ist sogar etwas größer als das Wohnmobil, in dem ich früher hauste. Und auch die Gestalten, mit denen ich hier mein Leben verbringe, erinnern mich manchmal an den einen oder anderen meiner Kollegen bei den Fanartikelhändlern. Ich weiß noch, wie du damals bereits Geschirr für unseren zukünftigen Haushalt gekauft hast. Feines Porzellan mit «Zwiebelmuster». Ich werde das Wort nie vergessen. Es wird wohl nichts mehr davon übrig sein. Ich weiß nicht, warum ich mich heute daran erinnere. Vielleicht, weil es hier heute Spaghetti gab. Und ich mußte dabei an das Essen denken, das Liberante Graziano bei meinem ersten Rennen 1977 in Spanien kochte. Damals konnte ich an nichts anderes denken als an die Begeisterung, die das köstliche italienische Gericht bei dir ausgelöst hätte. (Heute ist ein «italienisches Gericht» für mich nur noch ein Gericht, das den Tod Ayrton Sennas untersucht. Ich weiß, daß du davon nichts hören willst. Ich habe hier einfach zuviel Zeit zum Nachdenken.) Aber du hattest damals ja etwas Besseres zu tun. Und als du zurückgekommen bist, war ich schon zum Rennzirkus unterwegs. Du behauptest zwar, daß du nie zurückgekommen bist. Aber zumindest hast du irgendwann deine Sachen geholt. Denn sie waren nicht mehr da, als ich nach meiner ersten Saison in die Wohnung kam, um meinen Winterschlaf zu halten. Es hat keinen Sinn, nach so vielen Jahren noch darüber zu diskutieren.
elf
    Nachdem der Finne meinen Wohnwagen mit dem Löschpulver versaut hatte, packte er den Müllsack mit dem restlichen Pulver zusammen und nuschelte: «Hast du eine Fahrerlagerkarte?»
    Natürlich hatte ich eine. Wir alle hatten Fahrerlagerkarten, obwohl die Veranstalter immer wieder versuchten, sie uns wegzunehmen. Mit kaum etwas anderem machten sie mehr Geschäfte als mit den Fahrerlagerkarten.
    Die Zuschauer reisten um die halbe Welt und gaben ein Vermögen für Formel-1-Eintrittskarten aus, um dann enttäuscht festzustellen, daß sie irgendwo hundert Meter von der Strecke entfernt standen und die Autos vorbeizischten und sie kaum die Helme erkennen konnten. Um nicht mit dieser Enttäuschung nach Hause zu fahren, griffen sie lieber noch einmal tief in die Tasche für eine Fahrerlagerkarte.
    Das gesamte Fahrerlager war nach außen durch einen Hochsicherheitszaun abgesichert. Vielleicht denke ich nur deshalb so oft daran, weil mich der Drahtzaun daran erinnert, der uns hier in Stein vor ungebetenen Besuchern schützt.
    Mit einer gültigen Fahrerlagerkarte wurden die Zuschauer meistens noch herber enttäuscht als zuvor am Pistenrand. Noch vor wenigen Jahren konnte man im Fahrerlager aus nächster Nähe beobachten, wie die Mechaniker an den Autos herumbastelten. Die einzelnen Teams hatten zwischen Transport-LKWs und Wohnmobilen provisorische Zeltplanen gespannt, unter denen die Mechaniker Spoiler einstellten, Motoren wechselten oder einfach die Sponsoraufschriften polierten.
    Oft saßen sogar Fahrer und Teamchefs an Campingtischen bei einer Besprechung, und die Fans konnten aus wenigen Metern Entfernung beobachten, wie Jody Scheckter einen Hamburger verschlang oder wie James Hunt seinen Overall gegen Jeans und T-Shirt wechselte.
    Gegen Ende der achtziger Jahre bildeten sich aber innerhalb des Hochsicherheitstrakts des Fahrerlagers viele kleine Hochsicherheitstrakte der einzelnen Teams. Das einzige, was die Fans noch zu Gesicht bekamen, waren die hermetisch abgeriegelten Wagenburgen der Transport-Sattelschlepper. Das höchste der Gefühle war es, wenn sich für ein paar Sekunden die elektronischen Tore der Absperrung zwischen Boxenstraße und Fahrerlager öffneten und ein Formel-1-Wagen von den Mechanikern hereingeschoben wurde (und sofort wieder in der Wagenburg verschwand) oder ein Fahrer von den Boxen in das Fahrerlager huschte (wo er

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