Ausgebremst
in das Wohnmobil und bot uns eine Tasse Kaffee an. Ich wunderte mich wieder einmal, daß sich sogar ein Weltkonzern wie elf ein weitaus weniger luxuriöses Wohnmobil leistete als Steve und der Finne. Und ich wunderte mich über die guten Manieren von Jo und fragte mich, wie ein so gut erzogener Mensch mit meinem Finnen befreundet sein konnte.
«Was kann ich für euch tun?»
Der Finne deutete auf seinen Müllsack, und ich hatte schon Angst, er würde auch seinem Landsmann Jo das weiße Zeug über den feinen Teppichboden schütten. Aber er sagte nur: «Ich hab hier einen Sack voll Löschpulver. Kannst du das für mich anschauen?»
Jo öffnete den Sack und schaute hinein.
«Nicht so anschauen!» maulte der Finne. Mir fiel auf, daß er auch Jo beim Sprechen keines Blickes würdigte. Rechts hinter Jo hing ein Geschirrschrank mit feinstem Porzellan, das in der Techniker-Absteige ganz fehl am Platz schien, und diesen Geschirrschrank fixierte der Finne, als er zu Jo sagte: «Richtig mit dem Mikroskop anschauen!»
«Was heißt mit dem Mikroskop anschauen?» lachte Jo. «Ich kann dir auch so sagen, woraus Löschpulver besteht.»
«Das will ich aber nicht wissen.»
«Was willst du denn wissen?»
«Ich will wissen, ob das Zeug aus einem einzigen Feuerlöscher stammt oder aus verschiedenen Feuerlöschern. Kannst du das feststellen?»
«Mit dem Mikroskop nicht.»
«Was heißt mit dem Mikroskop nicht?»
«Da muß ich eine Analyse machen», lächelte Jo mich an.
Vielleicht gehört das in Finnland einfach zur Höflichkeit, daß man den Menschen nicht angafft, mit dem man spricht. Aber ich wußte schon damals, daß ich es nie herausfinden würde. Nicht weil ich schon ahnte, daß ich für lange Zeit im Gefängnis landen würde, sondern einfach, weil es keinen finnischen Grand Prix gab. In ganz Skandinavien gab es nur den Grand Prix von Schweden in Andersdorp, sonst nichts.
«Dann machst du eben eine Analyse», nuschelte der Finne den französischen Geschirrschrank schräg hinter Jo an.
«Da müßt ihr aber eine halbe Stunde warten», schaute Jo mich entschuldigend an.
«Das macht nichts, ich gebe inzwischen ein paar Autogramme», sagte der Finne zu mir.
Wir ließen Jo mit dem Löschpulversack allein, und der Finne stellte sich mitten im Fahrerlager auf und gab eine halbe Stunde lang Autogramme. Mit seinem Keke-Rosberg-Hemd und seiner Keke-Rosberg-Sonnenbrille und dem Keke-Rosberg-Schnurrbart schaute er Keke Rosberg eigentlich überhaupt nicht ähnlich. Aber irgendein Dummkopf fand sich doch immer, der ihm einen erstaunten Blick zuwarf und ihn fragte, ob er vielleicht Keke Rosberg sei.
Je unfreundlicher der Finne dann brummte, er sei nur ein T-Shirt-Händler, um so sicherer war sich der Fan, tatsächlich den notorisch unfreundlichen Keke Rosberg vor sich zu haben. Meistens lieferte der Finne dann noch den endgültigen Beweis, indem er sich brüsk abwandte und den Fan ohne Autogramm stehenließ.
Dann zerrte ihn der Fan im Normalfall am Hemdsärmel zurück, sofort schossen zwanzig andere Fans dazu, und schon konnte der Finne sich die Finger wund schreiben. Sein wirklicher Name fiel dabei wieder einmal unter den Tisch.
Diesmal hatte der Finne sogar seine Keke-Rosberg-Autogrammkarten dabei, und kaum daß er ein paar Autogramme gegeben hatte, drängte sich die ganze Flut der enttäuschten Fahrerlagerkartenbesitzer um uns. Obwohl Rosberg sich ja schon vor Jahren aus der Formel 1 zurückgezogen hatte, war er immer noch unglaublich populär, und wegen seiner notorischen Unfreundlichkeit waren seine Autogramme die wertvollsten, gleich nach den Autogrammen der tödlich verunglückten Fahrer.
Wir schafften es erst nach fast einer Stunde, uns in den elfTransporter zurückzuretten. Jo grinste, als er die Tür öffnete und wir von der fanatischen Horde in den Wohnwagen geschoben wurden.
«Irgendwann wird dich Rosberg verklagen», lächelte er.
«Fuck Rosberg», nuschelte der Finne den Müllsack an, den Jo in den Händen hielt. «Was sagt die Analyse?» «Der Inhalt stammt aus vier verschiedenen Feuerlöschern. Ein Teil stammt aus den automatischen Feuerlöschern, die in den Formal-1-Cockpits eingebaut sind.»
«Jaja. Das weiß ich. Und der Rest?»
«Der größte Teil stammt aus einem konventionellen Gebäudefeuerlöscher, wie du ihn in jedem Bürohaus in Europa findest.»
«Bist du dir da sicher?»
Jo lächelte nur und fuhr fort: «Der dritte Teil stammt aus einem normalen Autofeuerlöscher.»
«Was bin ich schuldig?»
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