Ausgebremst
gespielte Ernst des Witzeerzählers. Es war einfach die Entspanntheit des Drogenhändlers, der hin und wieder auch seine eigenen Waren konsumierte. Dies war wohl auch der eigentliche Grund, warum der Finne in allen Ländern so leichten Zugang zu den weiblichen Rennfans fand.
«Das ist wie bei den amerikanischen Astronauten», dozierte er.
«Wenigstens nicht wie bei den amerikanischen Rennfahrern», sagte Bruno Graziano, was bei der Französin einen erneuten Lachanfall auslöste.
«Das Erlebnis des Mondflugs hat sie geistig derart beeindruckt, daß sie hinterher völlig veränderte Menschen waren. Nach unseren Maßstäben durchgeknallte Menschen. Der eine wurde Prediger, der andere zog in die Wüste.»
Der Finne warf seiner französischen Freundin einen unwilligen Blick zu. Sie ließ sich aber nicht von ihrem Gekicher abhalten, und er fuhr fort: «So wirkt auch die Geschwindigkeit bei manchen Rennfahrern auf die Dauer bewußtseinsverändernd.»
«Und deshalb wohnt Niki Lauda heute auf einer Südseeinsel», wiederholte der ehemalige James-Hunt-Händler Steve bierernst. Ganz Brite, hatte er keinen Schluck französischen Rotwein, dafür aber mehrere Sixpacks Heineken-Bier getrunken. «Mit einer Eingeborenen!» sagte Steve mit der ganzen Arroganz des Kolonialvolkes, dem er und James Hunt angehörten.
«Und wer war dann der Rennfahrer, der schon in der WM 77, nur ein halbes Jahr, nachdem Hunt den WM-Titel wegen Laudas Unfall geerbt hatte, wieder als Führender aus den Überseerennen nach Europa kam?» fragte ich hämisch in die Runde.
«Jody Scheckter!» schallte es wie im Chor aus dem Mund Steves und des Finnen und Bruno Grazianos und sogar eines der TEXUNO-Studenten, der offenbar fleißig nachgelernt hatte.
Sie platzten so eifrig mit ihrer Antwort heraus, als ginge es hier um einen Wettkampf, wer das Erbe Liberantes als wandelndes Gedächtnis der Formel-1-Geschichte antreten durfte. Jedenfalls ließen sie sich auch mehr als zehn Jahre danach nicht von mir vormachen, Lauda wäre 1977 nach den ersten Überseerennen als Führender nach Europa gekommen. Ein einziger Punkt hatte mir meinen Konter versaut! Ich hatte in der Hitze des Gefechts vergessen, daß damals tatsächlich der Südafrikaner Jody Scheckter einen einzigen lausigen Punkt vor Niki Lauda lag.
So schnell gab ich mich aber nicht geschlagen. Ich muß zugeben, daß der Burgunderwein meine Kampfeslust vielleicht etwas über Gebühr anstachelte: «Aber wer war 1977 vom ersten Rennen an der dominierende Fahrer der Saison?» fragte ich ärgerlich. «Der Fahrer, der nur wegen einiger technischer Defekte nicht von Anfang an in der Weltmeisterschaft auf und davon fuhr?»
«Mario Andretti!» antworteten meine Kollegen wieder im Chor, als hätten sie es vorher einstudiert. Und die Französin kicherte dazu, daß ich ihr am liebsten mein Rotweinglas über das Alain-Prost-T-Shirt gekippt hätte.
Im nachhinein kann ich es nur mit meiner Alkoholisierung erklären, daß ich derart schlecht argumentierte.
Lauda gewann ja die WM 77 letztlich nur, weil er seinen Ferrari bei jedem Rennen förmlich ins Ziel trug. Er verharrte immer in zweiter oder dritter Position, bis der oft über eine Minute vor ihm liegende Mario Andretti mit dem defektanfälligen Lotus knapp vor Schluß ausfiel.
«Darum war ja Niki Lauda in dieser Saison mit seinem defensiven Fahrschulstil nicht wiederzuerkennen», höhnte Steve, der ehemalige James-Hunt-Händler. «Weil er ausgetauscht wurde und in Wirklichkeit bei einer Eingeborenen lebte!»
Unglaublich, daß ich mich von dem Thema so hinreißen ließ, anstatt auf die heimlichen Absichten Steves und des Finnen zu achten. Steve war bei Tageslicht ein ausgesprochen netter Mensch, mit dem ich nie ernsthafte Probleme hatte. Jetzt aber, um vier Uhr früh, schien mir sein Grinsen so unerträglich, daß ich nicht umhin konnte, noch einen dritten Anlauf zu nehmen und es ihm einfach ganz direkt unter die Nase zu reiben:
«Und wer war am Ende der Saison 77 Weltmeister? Wer lag zweiundzwanzig Punkte vor dem Titelverteidiger James Hunt?»
Ich sah, wie Steve in sich zusammenfiel. Er wußte genau, daß es nur eine einzige Antwort auf meine Frage gab.
«Dungl», nuschelte der Finne.
«Dungl?»
«Dungl!»
Die Französin kicherte wie verrückt, obwohl ich sie im Verdacht hatte, daß sie gar nicht wußte, wer Dungl war.
Für ihre letzte Koksstraße hatte sie sich gar nicht mehr diskret über die automatische Gangway in das Wohnmobil des Finnen
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