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Ausgebremst

Ausgebremst

Titel: Ausgebremst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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der Polizei», bekräftigte der Finne. «Aber nur Verkehrspolizist.»
    «Dann bin ich ja beruhigt», sagte ich.
    «Steve hat sich letzte Woche bei TEXUNO ein wenig umgesehen.»
    «Und?»
    «Ich weiß noch nichts. Er wird es uns beim Essen erzählen. Den TEXUNO-Boß und zwei von seinen Leuten hab ich auch eingeladen», sagte der Finne und trabte wieder hinüber.
    Ich beobachtete den ganzen Abend lang, wie er einen richtigen Gastgarten aufbaute und mit Lampions schmückte.
    «Ist heute dein Geburtstag?» rief ich einmal hinüber.
    Er schüttelte den Kopf. «Eher mein Todestag», murrte er und arbeitete weiter.
    Punkt zwölf war das Essen fertig. Es kamen nicht nur Bruno Graziano und Steve, der ehemalige Polizist und James HuntHändler. Insgesamt waren wir fast zwanzig Fanartikelhändler. Nur der zwergwüchsige TEXUNO-Chef kam nicht. Ich konnte zwar verstehen, daß er beleidigt war. Aber es war doch etwas eigenartig, daß er die zwei Verkäufersklaven trotzdem zum Essen geschickt hatte. Wir witzelten darüber, daß sie bei ihm offenbar nicht genug verdienten, um sich selbst etwas zu essen zu besorgen. Aber nur hinter ihrem Rücken. Es waren zwei sympathische Studenten, die nichts für ihren unmöglichen Chef konnten.
    Früher gab es oft so große Feste, meistens hatten die Grazianos dazu eingeladen. Aber Bruno war ja jetzt allein. Er war direkt vom Begräbnis seines Cousins in Catania angereist. Vielleicht veranstaltete der Finne das kleine Fest auch für ihn.
    Das Essen konnte sich natürlich trotz aller Bemühungen des Finnen nicht mit der Kochkunst der Grazianos messen. Daß einige von uns um vier Uhr früh immer noch vor dem Clou-Liner des Finnen saßen, hatte seinen Grund wohl eher in den Getränken. Und in den unglaublichen Geschichten, die der Finne zum besten gab. Wenn er nüchtern war, redete er den ganzen Tag kaum ein Wort. Aber wenn er einen Tropfen getrunken hatte, war er nicht mehr zu bremsen. Und er konnte Geschichten erzählen, die bis zu Jackie Stewart, Jim Clark und Jack Brabham zurückreichten.
    Ein paarmal im Lauf des Abends ertappte ich mich dabei, daß ich den armen Steve bedauerte. Kaum daß Liberante tot war, lief ihm der Finne spielend den Rang um die Nummer eins beim Insiderwissen ab.
    Bis vier Uhr früh war der Abend ausgesprochen amüsant, ein fröhlicher Leichenschmaus, für dessen Ausgelassenheit ich mich vor Bruno ein wenig genierte. Aber dann spürte ich plötzlich einen fürchterlich brennenden Schmerz im Rücken.
    «Und jetzt erzählst einmal du eine Geschichte!» klatschte mir der Finne mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter.
    Ich habe es immer schon gehaßt, wenn mir jemand mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter klatschte oder wenn jemand von mir verlangte, ich solle eine Geschichte erzählen.
    «Was für eine Geschichte?» fragte ich hilflos.
    Den ganzen Abend über hatten hauptsächlich Steve und der Finne mit ihren Geschichten zur Unterhaltung beigetragen. Die meisten anderen Händler hatten sich genau wie ich auf den Part des Lachens beschränkt. Vor allem die TEXUNO-Hilfsarbeiter, die im Kreis der echten Händler so befangen waren wie zwei Kartpiloten inmitten von Formel-1-Stars.
    «Irgendeine Geschichte», beharrte der Finne. Am meisten irritierte mich, daß er mich mit seinen besoffenen Augen sogar anschaute. Auf eine Art, die er wohl für aufmunternd hielt.
    «Ich weiß keine Geschichten. In zehn Jahren erzähle ich vielleicht die Geschichte von dem köstlichen Essen, das du uns heute serviert hast», versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen.
    «In zehn Jahren sind wir alle tot!»
    Wir lachten über diese Bemerkung und hatten doch keine Ahnung, wie nahe sie der Wahrheit kam.
    «Du bist Deutscher!» knallte mir der Finne zum zweiten Mal die flache Hand auf den Rücken: «Eine Geschichte über Niki Lauda!»
    «Ich bin kein Deutscher. Ich bin Österreicher.»
    «Das macht nichts», lachte der Finne. «Niki Lauda ist ja auch Österreicher.»
    Ich konnte es noch nie leiden, wenn mir jemand auf den Rücken haute oder wenn mich jemand als Deutscher bezeichnete. Normalerweise knallte ich demjenigen dann ebenfalls mit der flachen Hand auf den Rücken. Und normalerweise hätte ich den Finnen jetzt als Schweden bezeichnen müssen. In unserem Zustand, um vier Uhr früh, hätte das aber unweigerlich zu einer Schlägerei geführt.
    «Also gut», mischte sich Steve arrogant ein. «Dann werde ich dir eine Geschichte über deinen Landsmann erzählen. Hör gut zu. In

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