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Ausgebremst

Ausgebremst

Titel: Ausgebremst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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erkennen, die James Hunt zu seinen berüchtigten selbstgemalten Hasen-T-Shirts inspiriert hatte. Eines von ihnen zeigte einen verängstigt flüchtenden Hasen mit Niki-Lauda-Gesicht, verfolgt von Hunts McLaren. Darüber stand: HUNT THE RABBIT!
    Steve hielt es damals für eine großartige Idee, dieses Motiv zu kopieren und als T-Shirt zu verkaufen. Sein Pech war, daß er zu spät auf die Idee kam. Er konnte es nur ein paar Rennen lang verkaufen. Als Lauda seinen Unfall hatte, veranlaßte Hunt persönlich, daß das T-Shirt verschwand. Hunt tat das wohl weniger aus übertriebenem Mitleid als aus übertriebener Eitelkeit. Da er tatsächlich Lauda auf der Rennstrecke jagte, während dieser auf der Intensivstation um sein Leben rang, hatte sich der Witz gegen seinen Erfinder gekehrt.
    Nachdem Stiedl die Fotos überflogen hatte, zeigte ich ihm die zweite Serie. Die ersten Fotos nach seinem Unfall, die damals um die Welt gegangen waren:
    Niki Lauda bei seinem Comeback, als er direkt vom Totenbett in seinen Ferrari übersiedelt war, um nur vier Wochen nach dem Unfall am Nürburgring bereits in Monza wieder seinen schmelzenden Punktevorsprung zu verteidigen. Auf diesen frühen Fotos waren die verheerenden Verbrennungen im Gesicht noch sehr deutlich (das verbrannte Ohr war allerdings zum Teil von einem Verband verdeckt). Auf den späteren Fotos hatte sich das Gesicht durch eine Reihe von Hauttransplantationen wieder etwas verändert.
    Lauda hatte inzwischen die Parmalat-Kappe zu seinem Markenzeichen gemacht, die einen Teil der Verletzungen überdeckte. Wenn er nach den Rennen den Helm abnahm, zog er die Balaclava nur über dem Gesicht hoch, so daß sie ebenfalls wie eine Kappe den Kopf bedeckte.
    Erst Jahre nach dem Unfall gab es das erste Foto von Lauda ohne Kopfbedeckung, als er seine Kappe beim Begräbnis James Hunts vom Kopf nahm. Hunt war im Alter von 45 Jahren an Herzversagen gestorben.
    «Und?» fragte der Schönheitschirurg. «Wo liegt das Problem?»
    «Wäre es mit den heutigen Möglichkeiten der plastischen Chirurgie denkbar, mich so zu operieren, daß ich aussehe wie Niki Lauda?»
    Der Schönheitschirurg schien ziemlich abgebrüht, was absonderliche Wünsche betraf. Er schaute nicht einmal verwundert, sondern antwortete ohne Zögern: «Wie der hier nicht.» Dabei deutete er auf die Fotos, die das unversehrte Gesicht Niki Laudas zeigten.
    «Also wie der hier schon?» zeigte ich auf das verbrannte Lauda-Gesicht.
    Der Schönheitschirurg zuckte mit den Schultern. «Wieso nicht? Wenn man so ein Schlachtfeld im Gesicht hinterlassen kann, ist alles möglich.»
    «Das wollte ich hören.»
    Er schaute mich fragend an.
    «Du hast selbst gerade zwischen dem Lauda vor und dem Lauda nach dem Unfall unterschieden», erklärte ich ihm. «Ich habe den Verdacht, daß diese beiden Niki Laudas nicht ein und dieselbe Person sind.»
    Stiedl war schon früher so gewesen, daß er sich nie etwas anmerken ließ. Und er sagte auch jetzt ganz beiläufig: «Wo soll denn der echte Niki Lauda stecken?»
    «Keine Ahnung», antwortete ich, denn ich wollte ihn nur so weit in meine Geschichte einweihen, wie es unbedingt notwendig war.
    «Und wer soll der verbrannte Bursche in Wirklichkeit sein, wenn er nicht Niki Lauda ist?»
    «Dungl», antwortete ich.
    «Willi Dungl?» Jetzt brach er doch in Gelächter aus. «Das muß ich ihm erzählen!» lachte er, «das wird den Willi fertigmachen!» Natürlich kannte der ProminentenSchönheitschirurg den Fitneßguru persönlich, hatte ihn erst vor kurzem wieder getroffen. «Der Dungl! Obwohl - von den anatomischen Voraussetzungen her wäre es gar nicht so schwer, den Dungl auf Niki herzurichten.»
    Ich stimmte kurz in das Gelächter ein, um dann gleich wieder zur Sache zu kommen. «Ich kann dir die wahren Hintergründe im Moment nicht im Detail erklären. Überhaupt muß ich dich bitten, dieses Gespräch als ärztliches Gespräch zu betrachten.»
    Er schaute mich so groß an, als hätte er noch nie was von ärztlicher Schweigepflicht gehört. «Ja!» sagte er dann todernst. «Das ist selbstverständlich!»
    Damals hielt ich es für Heuchelei, heute weiß ich aber, daß es ihm tatsächlich selbstverständlich war, hat doch kein Arzt ein größeres Interesse an der Verschwiegenheit als ein Schönheitschirurg.
    «Es gibt den begründeten Verdacht, daß diese Niki-Lauda-Fotos in Wahrheit zwei verschiedene Menschen zeigen», sagte ich.
    Er schaute mich zweifelnd an.
    «Meine Frage ist, ob du das anhand der Fotos

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