Ausgebremst
und Fanartikelhändler zu unterscheiden.
Daran, wie mich dieser läppische Kommentar aufregte, bemerkte ich, daß ich mich plötzlich wieder mit den Geschehnissen identifizierte.
Das Wunder war passiert. Ich konnte zu den Rennen zurückkehren. Alles war wieder in Ordnung.
Ich durfte die unerträgliche Wiener Substandardwohnung wieder verlassen. Ich mußte das Klo nicht mehr mit meinen Nachbarn teilen. Ich durfte wieder das elende Plastikklo in meinem Wohnmobil benutzen. Ich mußte nicht mehr um mein Leben fürchten. Ich konnte, wenn ich wollte, die Nacht durchfahren und schon morgen oder spätestens am Samstag in Silverstone wieder dabeisein.
Doch ich beschloß, nichts zu überstürzen. Ich mußte zuerst einmal zu mir finden. Es war früh genug, wenn ich in Budapest wieder dabei war und Silverstone und Hockenheim ausließ. Auch mit der Anfahrt war es so viel besser für mich. Budapest, dann Spa, dann Monza, alles nur ein paar hundert Kilometer voneinander entfernt. Da hatte es wirklich keinen Sinn, zuvor in einer Nacht- und Nebelaktion noch nach Silverstone zu hetzen.
Es hatte nur Vorteile, wenn ich die paar Wochen bis Budapest noch wartete. Aber es hatte den Nachteil, daß ich dadurch als Mörder im Gefängnis landete.
Das Wunder war geschehen. Aber ich verjuxte es, weil ich noch eine Rechnung offen hatte.
5
Vor dem Start klappt der Fahrer das Visier zu.
Die Beschäftigungstherapeutin sagt, ich soll mich nicht
unter Helmen verstecken. Heute hat Bobby
die Beschäftigungstherapeutin erstochen.
Liebe Theresa!
Du hast recht, ich hätte sofort nach Silverstone fahren sollen. Zum ersten Mal in siebzehn Jahren verpaßte ich einige Rennen. (Auch nie eines durch Krankheit ausgelassen.) Und schon bricht das Unglück über mich herein. Du fragst dich, warum ich zu euch gefahren bin statt nach Silverstone. Aber die Antwort, die du dir und mir gibst, ist falsch. Kann schon sein, daß ich nicht vollkommen uninteressiert daran war, auf diesem Wege dich und deinen Mann wiederzusehen. Nachdem er vor siebzehn Jahren mit dir verschwunden ist. So schnell wie die Formel-1-Autos mit zweihundertsiebzig Stundenkilometern aus der Hella-Licht-Kurve verschwanden, kaum daß sie den Hügel am Ende der Start-und-Ziel-Geraden heraufgekommen waren. Bevor sie die Schikane eingebaut haben. Nach dem tödlichen Unfall Mark Donohues. Im Aufwärmtraining zu dem Rennen, das dann im strömenden Regen Vittorio Brambilla gewann. Zu dem ich gefahren war, nachdem wir unseren ersten großen Streit wegen der Formel 1 gehabt hatten. Vielleicht war es ein Nebeneffekt, an dem mir auf eine selbstquälerische Art gelegen ist. Dich und deinen Mann wiederzusehen. Doch die Tatsache, daß dein Mann inzwischen Schönheitschirurg war («plastischer» Chirurg, wie du immer schreibst), war sicher nicht ausschließlich ein Vorwand dafür. Ich wollte wirklich überprüfen, ob hinter Niki Laudas Gesicht tatsächlich Niki Lauda steckte. Ich wollte endlich Gewißheit. Ob Niki Lauda wirklich Niki Lauda ist. Heute habe ich sie. Die Gewißheit über die tatsächlichen Opfer und die tatsächlichen Täter. Nur daß mir heute niemand mehr glauben will, weil ich selbst in den Strudel der Gewalt geraten bin.
Reichenhall
Wenn Theresa glaubt, mein Verdacht auf Niki Lauda sei ein Vorwand gewesen, dann liegt das daran, daß sie die Ereignisse nur bruchstückhaft kennt. Wer Fakten nur unzulänglich zur Kenntnis nimmt, erliegt sehr leicht der Gefahr zu psychologisieren. Und Theresa wollte nie zuhören, wenn ich ihr die Fakten vom Renngeschehen erzählte.
Die Diskussion mit Steve und das Gefühl, an seinem Tod schuld zu sein, ließen mir keine Ruhe. Meine Bitte, mir einen Termin bei ihrem Mann, dem berühmten Schönheitschirurgen, zu organisieren, konnte Theresa nicht abschlagen.
Als ich mich zwei Wochen nach Silverstone auf den Weg nach Deutschland machte, fuhr ich nicht zum Grand Prix am Hockenheimring. Ich fuhr nach Reichenhall, wo Theresa mit ihrem Schönheitschirurgen lebte. Siebzehn Jahre lang hatte ich sie nicht mehr gesehen. Wenn man älter wird, stellt man oft erstaunt fest, wie schnell es geschieht, daß man die besten Freunde eine Ewigkeit nicht gesehen hat.
Das Schönheitsinstitut war in einem beeindruckenden schloßartigen Anwesen untergebracht. Noch mehr als über diese Pracht staunte ich allerdings darüber, daß ich von der Rezeptionistin nicht zu Theresa geführt wurde. Sondern direkt zu ihrem Mann. Theresa war nicht da und ließ sich auch den ganzen
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