Ausgebremst
bitte?»
Das Reden tat mir gut, um nicht schwindlig zu werden und umzufallen. Ich mußte weiterreden. Aber ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
«Wieser. Mein Name», sagte er.
Ich nickte. Es wäre mir komisch vorgekommen, einem nackten Mann in der Sauna die Hand zu geben. Ich mußte irgendwas sagen, aber mir fiel nur ein: «Was hält man in Macau von den amerikanischen Rennen?»
Es tat mir dann gleich wieder leid, daß ich ausgerechnet dieses Thema angeschnitten hatte. Der an und für sich so sympathische Mann legte eine unglaubliche Toleranz gegenüber den amerikanischen Rennen an den Tag. Er betrachtete die US-Serie als gleichwertig mit der Formel 1! Ich ärgerte mich so über die unakzeptable Haltung, daß ich dadurch etwas zu mir kam.
Aber ich mußte schon wieder etwas verpaßt haben, denn jetzt war Herr Wieser auf einmal bei einem ganz anderen Thema. Seine Ehe. Er war zweimal verheiratet.
«Nicht hintereinander», lachte er, «sondern nebeneinander. Einmal in Österreich als Wieser und einmal in Macau als Mr. Weeser.»
Wieser oder Weeser, Hauptsache, dein Vordermann verliert nie Öl. Als er mir von seinen zwei Ehen erzählte, war sein Grinsen besonders breit. Er schien sich teuflisch über die Ungereimtheiten seines Lebens zu amüsieren. Vor allem aber amüsierten ihn die Dummköpfe, die die sündteuren Kurse seiner Rennfahrerschule besuchten.
«Am liebsten sind mir die Millionärssöhnchen. Da ist es ja im Grunde genommen eine moralische Pflicht, wenn ich ihnen an einem verlängerten Wochenende fünftausend Dollar abnehme», grinste er. «Aber leider gibt es auch die Idealisten, die sich das Geld absparen, weil sie von einer großen Karriere als Rennfahrer träumen.» Im Gegensatz zu seinem «leider» stand das Grinsen über diese Idealisten. Es war mindestens so breit wie das Grinsen, als ich ihn fragte, ob in den zwanzig Jahren Macau schon einer seiner Schüler Erfolg als Rennfahrer gehabt hätte oder gar bis in die Formel 1 gekommen sei.
«Nicht einer», behauptete er stolz.
Er stand auf, um noch einen Aufguß zu machen. Ich hatte Angst vor einem Herzanfall und wollte ihn bitten, es nicht zu tun. Aber statt dessen fragte ich: «War in all den Jahren kein einziges Talent darunter?»
«Mit Talent hat das überhaupt nichts zu tun», sagte Mister Weeser. Oder Wieser. «Jedes Kind weiß doch, daß die Fahrer auf den Ausgang eines Rennens fast keinen Einfluß mehr haben. Man könnte heute die Autos ja genausogut von der Box aus fernsteuern. Ohne jedes Risiko! Es ist ziemlich egal, wen man ins Cockpit setzt. Es gibt Hunderte Rennfahrer, die gut genug sind, ein überlegenes Formel-1-Auto auf Platz eins ins
Ziel zu bringen. Aber nur sechsundzwanzig von ihnen kriegen überhaupt ein Cockpit. Wenn es für sechsundzwanzig lukrative Plätze Hunderte Fahrer gibt, die ungefähr gleich schnell sind, muß es andere Auswahlkriterien geben als die Schnelligkeit.»
«Natürlich, die Sponsoren», antwortete ich, um nicht ganz so naiv dazustehen. «Aber nur die Anfänger müssen sich bei den Teams mit Sponsorengeldern einkaufen. Den Spitzenfahrern müssen die Teams immer noch Millionengehälter zahlen.»
Ein breites Grinsen von Herrn Weeser. «Das Märchen mit den Sponsorengeldern wurde ja genau aus dem Grund in die Welt gesetzt. Damit es nicht so durchsichtig wird, warum manche jungen Fahrer wie Michael Schumacher sofort einen Platz in der Formel 1 bekommen. Und andere Fahrer nie, obwohl sie vielleicht in den Nachwuchsformeln schneller waren. Warum bekommen die keinen Sponsor? Danach fragt komischerweise nie jemand.»
Ich verstand nicht, worauf Mr. Weeser hinauswollte. Und fragen konnte ich ihn nicht. Offenbar war er nicht aufgestanden, um einen Aufguß zu machen, sondern um die unerträglich heiße Saunakammer zu verlassen. Denn plötzlich war er weg.
So plötzlich wie die Autos weg waren in den Jahren, als die neu erfundenen Heckflügel dauernd brachen. Eben noch fuhren sie wie angeklebt um die Kurve, weil die Heckflügel durch den umgekehrten Flugzeugflügeleffekt die Autos so fest zu Boden preßten. Und plötzlich lagen sie irgendwo jenseits der Leitschiene und hatten ein paar Zuschauer und Fotografen erschlagen. Denn wenn der Flügel bricht und sich dreht, wird er zum Flugzeugflügel und erzeugt Auftrieb statt Abtrieb. Und du bist nur mehr Passagier.
«Ist Ihnen noch nie aufgefallen, daß oft das halbe Starterfeld aus Italienern besteht?» fragte mich Mister Wieser oder Weeser, der offenbar doch nur
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