Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Odettes und andere Erbschleicherinnen vom Hals halten müssen«, lacht er. In diesem Punkt bin ich unbesorgt. Dieser Aufgabe sehe ich mich gewachsen. Ich bin vielmehr am Gespräch zwischen ihm und Paul interessiert.
»Du hattest völlig Recht. Er ist ein alter, gebrechlicher Mann. Aber im Kopf ist er noch völlig klar und fit. Er will dich und Clara bald kennen lernen. Wir sollen ihn in seinem Haus am Genfer See besuchen. Er plant ein großes Familienfest mit allen Kindern, Enkeln und Urenkeln. Ich hab schon zugesagt. Es ist dir doch recht, oder?« Ich nicke zustimmend und gebe Gas. Wir haben noch genau eine Stunde Zeit unser Wiedersehen gebührend zu feiern, bevor Clara aus der Schule kommt.
Für die SPA‘s Nummer Eins und Zwei liegen bereits zahlreiche Angebote vor. Ich zögere noch mit dem Verkauf, denn ich hoffe noch immer auf einen positiven Bescheid von Jean und Carlos. Tobi legt seine Malerkleidung ab und bittet mich, mit ihm nach Cannes zu fahren. Für das anstehende Familienfest will er sich freiwillig einen zweiten Anzug anschaffen.
»Ich fürchte, es wird zunächst sehr förmlich zugehen. Mein Vater legt großen Wert auf Etikette. Ich will nicht wie ein Exot unter den Anzugträgern auftreten.« Erstaunt sehe ich ihn an. Hat er das wirklich gesagt? Tobias steuert die Nobel Einkaufsmeile an. Er parkt den Wagen in der Nähe des Ladens, den er für das SPA Nummer Drei ins Auge gefasst hatte und für den er sogar bereit war, das Haus zu beleihen. Die Scheiben sind von innen mit braunem Packpapier verklebt und ein roter Folienaufkleber zeigt an, dass das Gewerbeobjekt verkauft ist. Gott sei Dank, denke ich und wundere mich über den zielgerichteten Marsch direkt auf die CHANEL Boutique.
»Auf keinen Fall«, entsetze ich mich. Nie werde ich in diesem Schickimicki Laden einkaufen und so viel Geld für ein Kleid ausgeben. Ich denke an Nane in ihrem lächerlichen Haute Couture Outfit. Tobias gibt sich geschlagen und kauft für sich einen Armani Anzug, zwei passende Hemden und eine neue Krawatte. Ohne zu murren zahlt er den Preis, für den er beim Hamburger Herrenausstatter zwei Anzüge, drei Hemden und drei Krawatten bekommen hätte. Auf dem Boulevard de la Croisette essen wir in einem Bistro zu Mittag.
»Ich freue mich darauf, dich meinem Vater endlich vorstellen zu können. Er ist schon ganz gespannt auf dich und hat mir schon Löcher in den Bauch gefragt. Ihr werdet euch mögen.«
»Keine Verhaltensregeln? Darf ich frei sprechen?« Tobias lacht.
»Solange du nicht ausrastest, habe ich keine Befürchtungen, was dein Benehmen angeht.« Dann reiz mich nicht!
Wir fahren heim und ich staune nicht schlecht. Ein neuer Mercedes Offroader parkt vor der Einfahrt. Das schwarze Geschütz wird von zwei jungen Männern im Blaumann noch auf Hochglanz poliert. Sie übergeben Tobias die Wagenschlüssel und eine Mappe mit Fahrzeugpapieren.
»Du hast extra einen Wagen geliehen?«
»Nein, ich habe einen gekauft. Wolltest du etwa mit der Ente nach Genf fahren? Bitte erst im Haus ausrasten, das wäre schon mal eine gute Übung in Sachen Etikette!«
»Zu wem reisen wir in die Schweiz. Zu Familie Klatten, Flick oder Quandt?«
»Schlimmer! Zu Paul Martin!« Mir wird es Angst und Bange. Ich habe keine Lust mehr, überhaupt mitzufahren. Aber für einen Rückzieher ist es zu spät. Während Tobias seine neue M Klasse Probe fährt, recherchiere ich im Internet nach Paul Martin und seinen Vorfahren. Der Großvater war ein erfolgreicher Reeder. Später hatte Paul das Imperium um eine Internationale Spedition erweitert und in die Martin Holding umgewandelt. Auf der Liste der zwanzig reichsten Deutschen ist er nicht aufgeführt, erfahre ich erleichtert.
»Du brauchst nicht nervös zu sein. Ich habe nur Spaß gemacht. Das wird sicherlich sehr schön. Ein bunter Haufen. Du solltest dir Marita ansehen. Die schlägt völlig aus der Art. Notfalls hältst du dich an Natascha und Timo. Und ich bin ja auch noch da.«
Tobi schafft die rund 561 km in weniger als fünf Stunden, wie er Timo stolz in der Einfahrt berichtet. Er vergisst zu erwähnen, dass er zwei Mal geblitzt wurde. In naher Zukunft werde ich die M Klasse fahren und er wird auf dem Beifahrersitz Platz nehmen müssen. Die Haustür wird von einer älteren Dame im grauen Kleid mit weißer Schürze geöffnet. Sie nimmt uns die Mäntel ab und weist den Weg ins Wohnzimmer.
»Kein Buttler? Ich bin enttäuscht«, flüstere
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