Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
mehr?«
»Warum legst du mir Steine in den Weg? Ich mache das doch nur für uns. Du sollst keine 200 Tage mehr am Stück durcharbeiten, abends müde und geschafft aus dem Geschäft kommen. Wir leben im Süden und der Sommer geht an uns vorbei. Um Sonne zu tanken, müssen wir im Winter für zwei Wochen auf die Kanaren reisen. Willst du das?« Auf jeden Fall will ich den Streit beenden.
»Geht es nicht eine Nummer kleiner und einen Schritt langsamer? Ich würde mich dabei wohler fühlen.« Beleidigt stimmt er zu. Mit meinem Wohlergehen habe ich das schlagkräftigste aller Argumente geliefert.
Die Entscheidung fällt auf Claires Objekt und wir unterzeichnen den Kaufvertrag für das SPA Nummer Zwei. Schon am nächsten Tag beginnt er mit den Arbeiten für den Innenausbau. Das SPA Nummer Eins steht zum Verkauf. Wir erhalten zahlreiche Anfragen von Kaufinteressenten. Jean, der den ersten Weihnachtstag bei uns verbrachte, will mit seiner Bank sprechen. Gern möchte er es gemeinsam mit Carlos übernehmen. Ich vertröste daher alle anderen Interessenten auf die erste Januar Woche. Als Jean, weder zusagen noch absagen kann, beginne ich mit den ersten Besichtigungen. Ich verabschiede gerade einen Masseur aus Lyon, als sich die Tür zum Laden öffnet und ich den eintretenden Mann als Timo Winter erkenne.
»Guten Tag, Frau Martin. Ich bin Timo. Weil ich bei Ihnen im Haus niemanden angetroffen habe, komme ich jetzt hierher. Ihre Nachbarn haben mir gesagt, wo ich Sie finden kann.« Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Seine freundliche Begrüßung lässt nur ein Verhalten zu. Ich biete ihm einen Platz und einen Kaffee an. Immer wieder betrachte ich sein Gesicht. Die verblüffende Ähnlichkeit mit Tobias macht mich sprachlos. Nur wenn er redet, ist zu merken, dass es sich um eine völlig andere Person handelt. Seine Dialektfärbung verrät seine Herkunft sofort. Natürlich will er mit Tobias sprechen. Obwohl es mir sehr unangenehm ist, sage ich: »Ich glaube Timo, das ist keine gute Idee. Tobias will keinen Kontakt. Er hat sich auch Marita gegenüber so geäußert. Es ist nicht meine Angelegenheit und ich mische mich auch nicht ein, aber ich kann ihn gut verstehen.«
»Deshalb bin ich hier. Ich verstehe ihn nämlich nicht. Es war eine andere Zeit. Wer die DDR nicht selbst erlebt hat, kann sich das heute nicht mehr vorstellen. Paul hatte doch gar keine andere Wahl!« Ich hebe meine Hände in die Luft. In dieser Haltung signalisiere ich meinem Schwager, nicht weiter zu sprechen.
»Es tut mir leid, Timo. Aber ich lasse mich da nicht hineinziehen. Ich habe es Tobias fest versprochen. Bitte sage mir nichts mehr.« Ich nehme mein Telefon und gehe vor die Tür, aber ich kann meinen Mann nicht erreichen. Auf seiner Mailbox hinterlasse ich ihm die Nachricht über den unerwarteten Besucher. »Er meldet sich nicht. Lass mir deine Nummer da. Ich werde sie Tobi geben. Vielleicht ruft er dich an. Nur darauf verlassen würde ich mich nicht.«
»Natascha hat mir ein Hotel empfohlen. Ich bleibe noch zwei Tage. Bitte Marie, ich will nur mit ihm sprechen. Kann ich auf deine Hilfe zählen?« Ich verspreche, es zu versuchen und ärgere mich darüber, dass ich mich nun doch zwischen zwei Stühle gesetzt habe.
»Woher weiß er, wo wir wohnen?«
»Er hat Kontakt zu Natascha. Sie hat ihm eine Unterkunft besorgt. Tobi, sprich mit ihm, damit das hier endlich ein Ende hat. Er ist wirklich nett. Ich finde ihn sehr sympathisch. Kein Wunder, er sieht aus wie du, wenn du deinen Anzug trägst. Höre ihn doch wenigstens an. Das hat mit deiner Entscheidung doch nichts zu tun. Willst du ihn wirklich ohne ein Wort abreisen lassen? Diesen Fehler hast du schon einmal gemacht. Erinnerst du dich? Danach war acht Monate Funkstille zwischen uns. Komm, sei nicht so stur. Er ist dein Bruder. Was hat er dir getan?« Endlich habe ich ihn soweit. Tobi ruft ihn an und verabredet sich für den nächsten Morgen bei René. Ein leises Halleluja huscht über meine Lippen.
Ich fahre ihn in seinen dreckigen Malerklamotten in den Ort. Als ich die Ente vor dem SPA einparke, sehe ich Timo schon an einem der Tische sitzen. Im dunklen Anzug trinkt er einen Kaffee und telefoniert mit seinem Handy. Ich winke ihm zu und schließe die Ladentür zu meinem Geschäft auf. Ich will der Unterhaltung nicht beiwohnen. Luchse aber gespannt durch das Seitenfenster auf die Restaurant Terrasse. Überneugierig verfolge ich die förmliche Begrüßung per
Weitere Kostenlose Bücher